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Hans
Frischholz, Verw.-Oberamtsrat a. D.
(+ 2009)
RATHAUSBAU – BEGINN VOR 100 JAHREN
BAUGESCHICHTE DES HISTORISCHEN GEBÄUDES - MARKTPLATZ 9 |
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aus Streifzüge 8/1989, S.36-60: "Vohenstrauß - 80 Jahre
Rathaus"
gekürzt und bearbeitet (Peter Staniczek)
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Ein
stattlicher Bau ist das Rathaus am oberen Marktplatz, das sich als
herausragendes historisches Gebäude in der Stadtmitte präsentiert und
auf das die Bürger dieser Stadt mit Recht stolz sind. Aber auch für die
Besucher von auswärts ist das prächtige Rathaus immer wieder ein
Blickfang zusammen mit dem vor wenigen Jahren neugestalteten
Rathausvorplatz, der 1979 errichteten sehenswerten Brunnenanlage und dem
neuen Baumbestand.
In einem
Beitrag über die Baukunst von Vohenstrauß aus dem Jahre 1929 schreibt
Guntram Lauterbacher, Regensburg, u. a. über das Vohenstraußer Rathaus:
„Dann
folgt 1909 - 1911 der Neubau des Rathauses durch den Hocheder-Schüler
Architekt Hans Brühl aus München, als Ergebnis eines Wettbewerbes. Auch
hier wurde mit Rücksicht auf die Friedrichsburg deutsche Renaissance zu
Grunde gelegt. Das massige Gebäude mit fünf Achsen, zwei Stockwerken und
einem mächtigen Dach, fügt sich ganz der von unten gesehen rechten
Straßenseite ein; dadurch, dass sich die beiden vorausgehenden Häuser zu
größerer als der gewohnten Höhe erheben, ist eine gute
Silhouettenwirkung erreicht. Als hauptsächlichen Schmuck trägt das
Rathaus einen durchlaufenden Erker in der Mittelachse, der
bemerkenswerter Weise der einzige ausgesprochene Erker in Vohenstrauß
ist. Ein idyllischer Hofraum ist abgeschlossen durch ein Wohngebäude,
die Gänge und Diensträume sind einfach, aber hell und freundlich. Die
eine Hälfte des 2. Stockes enthält einen Festsaal. Die Parterreräume
bergen die Postanstalt."
Vor 100
Jahren im Frühjahr 1909 ist mit dem Bau begonnen worden. Dies gibt Veranlassung zu einem Rückblick auf
die Baugeschichte dieses imposanten Gebäudes. |
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Stadterhebung abhängig vom Bau eines neuen Rathauses
Die
ältesten Bürger unserer Stadt werden sich noch gut an das alte Rathaus
am oberen Marktplatz erinnern. Dieses Gebäude, Hs.-Nr. 73, hatte der
Magistrat am 13. Dezember 1853 von dem bürgerlichen Handelsmann und
Lebzelter Michael Roßmann erworben und 1854 mit der Umgestaltung und
Einrichtung des damaligen neuen Rathauses an dem Platz, wo auch das
jetzige Rathaus steht, begonnen.
Unser
Bild zeigt das alte Rathaus, in
dem auch ein Brotladen untergebracht war. Schon zu Beginn dieses
Jahrhunderts zeigte es sich, dass dieses Rathaus den Bedürfnissen nicht
mehr genügte. Der damalige Magistrat von Vohenstrauß beschloss deshalb
1908, das alte Rathaus abzubrechen und an seiner Stelle ein neues
Gebäude zu errichten. Der Kunstbrunnen vor dem Rathaus, eine Nachbildung
des Schönen Brunnens zu Nürnberg wurde am 12. November 1933
(Reichstagswahlen, verbunden mit einer Volksabstimmung über die Frage
der Billigung des Austritts Deutschlands aus dem Völkerbund) durch ein
Kraftfahrzeug schwer beschädigt, worauf sie entfernt wurde. Viele
trauern ihm nach.
Bereits
im Jahre 1906 wurde wiederholt öffentlich die Forderung erhoben,
Vohenstrauß möge sich um die Wiedererhebung zur Stadt bemühen, was den
Magistrat Vohenstrauß 1906 zu folgendem Beschluss (s. a. Streifzüge
4/1987, S. 10)veranlasste :
"...
beschließt der Magistrat einstimmig, die alleruntertänigste Bitte zu
stellen, seine Königliche Hoheit, Prinz Luitpold, des Königreichs Bayern
Verweser, mögen geruhen, allergnädigst zu genehmigen, dass der Markt
Vohenstrauß die Bezeichnung 'Stadt' führe."
Der
Magistrat musste jedoch noch so manches erfüllen, um mit dem Gesuch auf
Stadterhebung erfolgreich zu sein. So erging am 20. Juli 1906 folgende
Regierungsentschließung:
„Für die
Würdigung des Gesuches der Marktgemeinde Vohenstrauß um Erhebung zur
Stadt wird der Umstand von Belang sein, ob Gewähr besteht, dass in Bälde
... durch die Herstellung eines neuen Rathauses zweckentsprechende und
ausreichende Räumlichkeiten ... geschaffen werden."
Der
Magistrat wurde wegen des Rathausbaues sofort tätig und am 16. Februar
1907 konnte schließlich dem kgl. Bezirksamt Vohenstrauß berichtet
werden, dass am 11. Februar 1907 das an das Rathausgebäude, Hs.Nr.73,
unmittelbar anstoßende Nachbaranwesen, Hs.Nr.74, von der
Kaminkehrerswitwe und deren Sohn Johann Baptist Ferazin (Vater des
langjährigen Stadtrats Karl Ferazin, gest. 1985) um 30 000 Mk. käuflich
erworben und notariell beurkundet wurde. Damit war der erste Schritt für
den Rathausneubau getan. Dieser entscheidende Beschluss des Magistrats
vom 14. Januar 1907, Nr. 73, wird im Faksimile
wiedergegeben:
Die kgl.
Regierung der Oberpfalz und von Regensburg machte nun mit Entschließung
vom 8. Mai 1907 ihre Begutachtung über das Gesuch zur Stadterhebung
davon abhängig, dass die Erbauung eines allen Anforderungen
entsprechenden Rathauses binnen absehbarer - nicht zu weit gesteckter
Frist - sichergestellt wird.
Dabei kam
die Regierung zu der Auffassung, dass die in dem magistratischen
Beschluss vom 21. März 1907 angegebene Bausumme von 150000 Mk. zu hoch
gegriffen sei; 100 000 Mk. dürften wohl genügen. (Anmerkung: 1912 belief
sich die Bausumme tatsächlich auf über 200 000 Mk.)
In der
Entschließung wird weiter ausgeführt:
„Für die
Herstellung des Entwurfs wird der Verein für Volkskunde und Volkskunst
in München empfohlen. Jetzt schon ist eine Verbesserung in der
Unterbringung der Löschgerätschaften dadurch herbeizuführen, dass eine
Ausfahrt aus dem erweiterten Feuerhaus nach der Schmidgasse (jetzige
Rathausgasse) hergestellt wird. Auch für die Unterbringung der
Registraturschränke in abgeschlossenen, und für Registraturzwecke
bestimmten Räumen sowie für Bereitstellung eines eigenen
Standesamtszimmers ist Sorge zu tragen."
Der
Magistrat versicherte am 30.9.1907 dem Kgl. Bezirksamt, dass er die
ernsthafte Absicht habe, den Rathausbau im Jahre 1909 zu beginnen und
man möge dieser Versicherung Vertrauen schenken.
Die Kgl.
Regierung der Oberpfalz bekräftigte am 29.11.1907 noch einmal ihren
Standpunkt und unterstrich, dass es im Interesse der Gemeinde liege,
wenn sie die Herstellung der Pläne und Voranschläge für den Rat- und
Feuerhausbau nach Tunlichkeit beschleunige. |
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Architektenwettbewerb für den Rathausbau
Der
Magistrat beschloss am 18. Dezember 1907:
"Behufs
Erlangung von Entwürfen für den Rathausbau soll ein Wettbewerb von
Architekten veranstaltet werden, wozu der uns von hoher Kreisstelle
empfohlene Verein für Volkskunst und Volkskunde in München seine
Mitglieder einladen wird. Für Preise hat der Magistrat den vom Verein
vorgeschlagenen Betrag von 1200 Mk. zur Verfügung gestellt."
Im
Beschluss kam weiter zum Ausdruck, dass mit dem Bau des Rathauses nach
Möglichkeit im Frühjahr 1909 begonnen werden sollte.
Der
Bayerische Verein für Volkskunst und Volkskunde hatte dann auch im
Januar 1908 das Wettbewerbsprogramm zur Erlangung von Entwürfen zu einem
Rathausneubau in Vohenstrauß unter seinen Mit-gliedern ausgeschrieben
und am 16.2.1908 in folgenden Zeitungen veröffentlicht: Oberpfälzer
Kurier, Weiden, Amberger Volkszeitung, Süddeutsche Verlagsanstalt,
München, Augsburger Abendzeitung und Vohenstraußer Anzeiger. Als
Einlieferungstermin wurde der 15. April 1908, abends 6 Uhr, festgesetzt.
Die
Sitzung des Preisgerichtes fand am Mittwoch, dem 22.4.1908, vormittags 8
1/2 Uhr im Studiengebäude des K. B. Nationalmuseums statt. Das Ergebnis
des Wettbewerbs ist in einer Aktenvormerkung des Marktschreibers Andreas
Windschiegl vom 28.4.1908 wie folgt festgestellt worden:
"Es
liefen 51 Projekte ein, die in den drei Sälen des Studiengebäudes des
National-Museums ausgestellt sind. Zum Preisrichteramt gehörten die
Herren kgl. Professor Karl Hocheder in München, kgl. Stadtbaurat Grässel
in München, kgl. Hofbaurat Handle in München, kgl. Professor Immer
sprach in München, Bürgermeister Riebel aus Vohenstrauß, Magistratsrat
Winkler aus Vohenstrauß und Marktschreiber Windschiegl aus Vohenstrauß.
Es
erhielten den ersten Preis Architekt Hans Brühl, München, St. Paulstraße
2, den zweiten Regierungsbaumeister Otto Leithoff in Freising, den
dritten Bauamtsassessor Heinrich Ney in München. Belobigungen bekamen
die Arbeiten des Bauamtsass. Anding von Regensburg, z. Zt. in Neustadt
a. d. Waldnaab, und die Architekten Oskar Zech, Wilhelm Käh, Martin
Mendler und John H. Rosenthal in München.
Der mit
dem ersten Preis bedachte Architekt Hans Brühl, ein noch jüngerer Mann,
hat sich auch vor kurzer Zeit bei dem Wettbewerb zu dem Bau einer Kirche
und Pfarrhaus in Hamburg den dritten Preis erworben. gez. Windschiegl."
Wegen der
Ausstellung der mit Preisen bedachten Projekte erließ der Magistrat am
21.5.1908 folgende Bekanntmachung:
"Die
öffentliche Ausstellung der Entwürfe für den Rathausneubau dahier findet
am Sonntag, 24. bis einschließlich Sonntag, den 31. Mai d. Js. in der
Rathauskanzlei statt.” |
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Architekt
Hans Brühl erhält Planungsauftrag
Laut
Sitzungsprotokoll des Magistrats Vohenstrauß vom 1.7.1908, Nr. 377,
wurde folgender einstimmiger Beschluss gefasst:
„1. Es
sei die Planbearbeitung für den Rathausbau dahier und die Ausführung des
Baues dem Architekten Herrn Hans Brühl in München zu übertragen.
2. Herr
Brühl hat alle in der Gebührenordung der Architekten und Ingenieure
bezeichneten Vor-, Ausführungs-, Haupt- und Nebenarbeiten, wie solche in
dieser Gebührenordnung aufgeführt und wie dieselben für den Bau des
Rathauses dahier samt Einrichtungen, Zugehörungen und Nebenanstalten
überhaupt erforderlich sind, zu leisten.
3. Für
diese Gesamtleistungen erhält Herr Brühl von der hiesigen Gemeinde die
Aversalsumme von 5000 Mk. (fünftausend). In dieser Aversalsumme sind
auch die Reisespesen insoweit inbegriffen, als von Herrn Brühl eine
Reise zur Baustelle nicht öfter als alle 14 Tage vom Magistrat verlangt
wird. Für jede weitere Reise hat Herr Brühl ein Tagegeld von 10 Mk. und
die Fahrtaxe II. Klasse zu beanspruchen.
4. Der
Aufwand für die spezielle Bauführung ist von der Gemeinde zu tragen.
Riebel,
Bürgermeister
Magistratsräte: Jungkunst, Kirner, Winkler, Lindner, Wappmann
Marktschreiber Windschiegl."
Dieser
Beschluss wurde am 2.7.1908 den Gemeindebevollmächtigten zur Beratung
und Beschlussfassung zugeleitet und im Begleitschreiben über die
Finanzierung des Vorhabens folgendes ausgeführt:
"Der
Kaufschilling für das Ferazinische Anwesen Hs.-Nr. 74 zu 30000 Mk. ist
aus den Überschüssen der Sparkasse und aus Mitteln des Reservefonds pro
1907 und 1908 bereits gedeckt.
Die
Kosten für den Neubau des Rathauses sind nach den generellen
Berechnungen auf 100 000 Mk. veranschlagt.
Falls der
Bau des Rathauses im Jahre 1909 zur Ausführung kommt, so können an
diesen Kosten wiederum 30000 Mk. an Überschüssen der Sparkasse und des
Reservefonds pro 1909 gedeckt werden, so dass nur die Summe von 70 000
Mk. mittels Anleihen zu beschaffen wäre.
Wenn vom
Jahre 1910 an nur die Hälfte der Überschüsse der Sparkasse und des
Reservefonds für die Schuldentilgung und für Verzinsung der Schuld
verwendet werden, so ist die Deckung dieser Schuld in einem Zeitraum von
6 - 7 Jahren leicht möglich, und kann die zweite Hälfte der Überschüsse
zur Vermehrung des Reservefonds wiederum dienen. Diese Vermehrung ist
vollständig genügend, nachdem z. Zt. der Reservefond der Sparkasse die
vorschriftsmäßige Höhe um 78 000 Mk. überschreitet.
Vom
finanziellen Standpunkt aus kann daher die Bauausführung keinerlei
Bedenken unterliegen."
Zur
damaligen Zeit war die Sparkasse eine Einrichtung des Marktes. Beim
Rathausneubau wurden für die Sparkasse im I. Obergeschoß die notwendigen
Räume mit eingebaut, wo sie auch von 1911 bis zum 1.10.1935
untergebracht war.
Das
Gemeindekollegium stimmte am 11.7.1908 dem o.g. Beschluss zu.
Schon am
nächsten Tag wurde Architekt Hans Brühl die Planbearbeitung und die
Bauausführung für den Rathausbau übertragen.
Magistrat
und Gemeindebevollmächtigtenkollegium erklärten sich in ihren Sitzungen
am 17.9. bzw. 21.9.1908 mit den vom Architekten gefertigten Plänen
einverstanden und beschlossen, die baupolizeiliche Genehmigung für das
Bauvorhaben einzuholen. Die Beschlussfassung über die Ausführung des
Baues, über die Aufbringung und Deckung der Baukosten wollten die
Gremien erst dann vornehmen, wenn die Kostenanschläge gefertigt seien.
Unterm
10.11.1908 teilte Brühl dem "verehrlichen Magistrat" mit, dass sich der
Bau auf 148 000 Mk. insgesamt berechne. Er fügte noch hinzu, dass bei
der seinerzeitigen Summe von 100 000 Mk., die als Norm für den
Wettbewerb bestimmend war, unbedingt zu wenig gerechnet worden sein
müsste. Ein modernes Wohngebäude z.B. mit aller Einrichtung,
Zentralheizung, Klosetts, Bad etc. berechne sich mit 17 - 19 Mk. für den
cbm umbauten Raum. Hier in diesem Fall hätte man noch außerdem die
Ausgestaltung des Saales und infolge eine größere Geschosshöhe, ebenso
stärkere Mauern, weil erforderlich. Die Maurerarbeiten allein würden
sich auf ca. 38 000 Mk., die Zimmermannsarbeiten auf 21 000 Mk.
berechnen. Brühl wörtlich:
"Wo es
irgend möglich war, ohne die Stabilität des Gebäudes in Frage zu
bringen, habe ich gespart, aber eine geringere Bausumme ist für diesen
relativ großen Bau einfach unmöglich."
Der
Magistrat zeigte sich in der Sitzung vom 12.11.1908 von der
Kostenberechnung mehr als überrascht.
Der
Antrag auf baupolizeiliche Genehmigung wurde am 22.9.1908 gestellt,
wobei das Vorhaben durch Darlegung aller Gesichtspunkte ausführlich
begründet wurde. Das Schreiben, Nr.1916, gibt einen zusammenfassenden
Überblick über das Bauwerk:
„An das
Königliche Bezirksamt Vohenstrauß
Betreff:
Der Bau des Rathaus- und Sparkassengebäudes in Vohenstrauß
[...]
Schon vor mehreren Jahren wurde von der hohen Königlichen Regierung die
Verbesserung der Geschäftsräume des Magistrats und der Verwaltung der
Sparkasse angeregt und aus Anlass des Gesuches um die Erhebung des
Marktes Vohenstrauß zur Stadt wurde der Bau des Rathauses als erste
Voraussetzung zur Vorlage dieses Gesuches an das Königl.
Staatsministerium abhängig gemacht.
Ein vor
Jahren bereits beabsichtigter Umbau des jetzigen Rathauses wäre nur
etwas unvollkommenes und unpraktisches geworden und deshalb haben sich
die gemeindlichen Kollegien dazu entschlossen, durch käufliche Erwerbung
des Nachbaranwesens Hs. Nr. 74 einen entsprechenden und vergrößerten
Bauplatz zu erlangen, um neben den eigentlichen Bedürfnissen des
Magistrats, insbesondere die am dringendsten notwendigen Geschäftsräume
für die Sparkasse und Wohnungen für die Beamten derselben zu beschaffen.[...]
Es sind
vorgesehen:
Im
Erdgeschoß der bisher schon bestandene um 722 Mk. verpachtete Laden mit
Lagerraum und 1 Zimmer, 1 Zimmer für Eichmeister, 1 Zimmer für
Polizeiwache, Posträume in dem von der kgl Postdirektion bezeichneten
Umfang,
ferner
eine Wohnung mit fünf Zimmer und Küche.
Im I.
Stock: 1 Zimmer für Bürgermeister, 1 Standesamtssaal, 1
Magistratskanzlei mit Registratur, 1 Zimmer für Sekretär, 1
Sparkassenlokal, welches einen feuersicheren Raum für Kassen-schränke
enthält und welches noch in Warte- und Geschäftsraum abgeteilt wird,
dann eine Wohnung mit fünf Zimmern und Küche.
Im II.
Stock: Ein großer und ein kleinerer Saal, nebst Garderob, sowie eine
weitere Wohnung mit vier Zimmern und Küche.
Die
Wohnungen sind bestimmt für Magistrats- und Sparkassenbeamte. Mit der
kgl. Postdirektion Regensburg, welcher wir bereits die Grundriss plane
eingesendet haben, sind die Verhandlungen noch im Gange.
Mit
Rücksicht auf den Stand und den Umsatz der Sparkasse haben es die
gemeindlichen Vertreter für notwendig erachtet nicht nur die eigenen
größeren Räume für dieselbe zu schaffen, sondern auch von den drei
vorgesehenen Familienwohnungen zwei für Sparkassenbeamte herstellen zu
lassen.
Die nach
§ 9 der Bauordnung erforderlichen Pläne bringen wir in duplo, versehen
mit den nach § 67 Ziffer 1 der Bauordnung vorgeschriebenen
Unterschriften mit der Bitte in Vorlage: 'die baupolizeiliche
Genehmigung zur Ausführung des Baues nach diesen Plänen erteilen zu
wollen'.
Der
Voranschlag über die Kosten des Baues ist vom vorbezeichneten
Architekten in der Ausarbeitung begriffen und sobald wir denselben
erhalten, wird die Beschlussfassung über die Art der Vergebung der
Bauarbeiten, über die Aufbringung und Deckung der Baukosten erfolgen.
Riebel"
Die
baupolizeiliche Genehmigung wurde am 23.10.1908 durch das Kgl.
Bezirksamt Vohenstrauß erteilt.
Im
Verzeichnis sämtlicher in der Gemeinde Vohenstrauß während der Jahre
1897 - 1919 vollendeten Neubauten und Bauveränderungen ist der
Rathausneubau ebenfalls eingetragen:
Es folgt
dann ein umfangreicher Schriftverkehr mit dem Architekten, der u. a. die
Absteckung der Umfassung für den Rathausneubau und die Verbreiterung des
Schmiedgäßchens betraf. In Verhandlungen mit dem kgl. Oberpostamt
Regensburg wurde die Aufnahme des Postamts Vohenstrauß ins Rathaus und
der Raumbedarf besprochen. (Anmerkung: Die Diensträume des Postamts
Vohenstrauß befanden sich von 1911 bis 1935 im Erdgeschoss des
Rathauses).
Mit 8:7
Stimmen beschloss schließlich der Magistrat, wieder einen Brotladen in
den südlichen Parterreräumen des neuen Rathauses zu errichten. Der
Einbau einer Zentralheizung wurde in der Sitzung vom 11.12.1908
einstimmig abgelehnt, obwohl im Bauprogramm ursprünglich vorgesehen.
Die
entscheidenden Beschlüsse der beiden Gremien wurden am 30.11. 1908 unter
Protokoll-Nr. 636 einstimmig gefasst:
1. mit
dem Abbruch des Ferazin-Hauses, dann des Rathauses ist zu beginnen,
sobald die Witterungsverhältnisse diese Arbeiten zulassen.
2. Die
Ausführung des Rathausbaues hat nach den ... genehmigten Plänen des
Architekten Brühl und den von diesem angefertigten Kostenvoranschlag zu
erfolgen.
3. Zur
Beaufsichtigung und Kontrolle der Bauarbeiten wird ab 1. März ein
ständiger Bauführer aufgestellt, für welchen ein Gehaltsbezug von 200 -
250 Mk. festgesetzt wird.
4. Die
Bauarbeiten des Rathauses selbst werden der öffentlichen Vergebung nach
Leistungsverzeichnissen und nach Maßgabe der Bau- und Werkpläne
unterstellt.
5. Soweit
Arbeiten in Frage kommen, deren Herstellung von Spezialfirmen zu
erfolgen hat, wird spezielles Übereinkommen getroffen.
6. Die
Kosten des Gesamtbaues werden mittels Anlehen beschafft.
7. Zur
Verzinsung und Rückzahlung des Darlehens werden die Mittel aufgebracht:
Durch die jährlichen Mieten für Posträume, Laden, Wohnungen, soweit
letztere nicht als Dienstwohnungen in Frage kommen, dann durch die
jeweiligen verfügbaren Überschüsse der gemeindlichen Sparkasse, nachdem
die Sparkassenräume einen wesentlichen Bestandteil des Neubaues bilden,
und soweit diese nicht hinreichen sollten, durch anderweitige Einnahmen
der Gemeinde. [...]
9. Als
Baukassier wird Marktschreiber und Kassier Windschiegl bestellt.
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Die
Arbeiten beginnen
Magistratsbekanntmachung am 3. Oktober 1908:
"Das
Schmiedgäßel (jetzige Rathausgasse) ist von heute ab entlang den
abgebrochenen Nebengebäuden des Ferazin' schen Anwesens für allen Verkehr
abgesperrt."
Über die
Abbrucharbeiten sind im Kassentagebuch erstmals am 27.2. 1909 Ausgaben
wie folgt verbucht:
"Wochenliste Suckart und Genossen in Höhe von 73,22 Mk."
Ein
weiterer Buchungsvermerk ist am 20. Februar 1909 wie folgt vorgetragen:
"Wochenliste, Umzug vom alten Rathaus in das Rückgebäude und Transport
der Geldschränke 55,36 Mk."
Im
Magistratsbeschluss vom 30.11.1908 wurde nämlich festgelegt:
"Als
Bureauraum für Kanzlei, Sparkasse, Standesamt, ferner für ein Baubureau,
dann für die Nachtwache wird das im Garten neuhergestellte Hintergebäude
mit den darin befindlichen Räumlichkeiten benützt."
Das obige Bild zeigt den Abbruch des Ferazin-Hauses und des
alten Rathauses. Auf dem Bild ist der Marktschreiber Andreas Windschiegl
(mit Hut) zu erkennen, der zum Baukassier bestellt wurde. Rechts ragt
noch der alte Schlauchturm, der 1880 auf dem Rathausstadel errichtet
wurde, hervor. Er ging in dem 1910 hinter dem Rathaus errichteten
Feuerwehrgerätehaus auf.
Westliche
Marktplatzseite noch vor Abbruch:
Ø
Unterhalb
der Pfarrkirche das Kaufhaus Riebel, alte Hs.-Nr.37, jetzt Pfarrgasse 1:
1934 von der Sparkasse erworben und abgebrochen, 1935 Errichtung eines
neuen Sparkassengebäudes;
Ø
das
Eckhaus nördlich (rechts) der Pfarrgasse ist das Lang-Sattler-Anwesen,
alte Hs.-Nr. 69, jetzt Marktplatz 1;
Ø
das
Aichinger-Bäck-Haus, Hs.-Nr. 70, jetzt Marktplatz 3;
Ø
das
Frank-Haus, früher Mälzerei, Hs.-Nr. 71, jetzt Marktplatz 5;
Ø
Gasthof
"Zum Schwan", Hs.-Nr. 72, jetzt Marktplatz 7 (Raiffeisenbank)
Ø
schließlich das alte Rathaus, Hs.-Nr. 73
Ø
und das
Ferazin-Haus, Hs. Nr. 74.
Auch das
frühere Schmiedgäßel, die jetzige Rathausgasse, ist im Anschluss zu
erkennen.
Architekt
Brühl teilte dem Magistrat am 13.2.1909 mit, dass sämtliche Werkpläne
für Maurer- und Zimmermannsarbeiten seinem Schreiben beilägen und jetzt
mit dem Bau begonnen werden könne, da für den Rohbau alles
fertiggestellt sei. Der Architekt legte dem Magistrat auch das
Ausführungsprojekt mit Lageplan (Maßstab 1: 500), die Grundrisse (1:
100) für Kellergeschoß, Erdgeschoß, I. Obergeschoss, II. Obergeschoß und
für das Galerie-Geschoß vor.
Zur
Abgabe der Angebote für die Erd-, Beton-, Maurer-, Dachdecker- und
Zimmermannsarbeiten sowie die Lieferung von Eisenwerk, wurde als Termin
der 17.3.1909, mittags 12 Uhr, festgelegt. Den Auftrag zur Ausführung
der vorgenannten Arbeiten wurde dem Bauunternehmen Johann Ach,
Vohenstrauß, übertragen.
Im
Frühjahr 1909 wurde mit dem Rathausbau begonnen. Ein genaues Datum über
den Baubeginn ist in den Bauakten leider nicht feststellbar und auch
nicht im Bautenverzeichnis eingetragen. In einem Schriftstück des
Magistrats vom 22.4.1909 ist jedoch davon die Rede, dass weitere
Verhandlungen erst stattfinden sollten, wenn der Bau des Rathauses
selbst weiter vorgeschritten sei. Folglich ist anzunehmen, dass mit dem
Bau im April 1909 begonnen wurde. |
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Am 22.
Juli 1909 wird Richtfest gefeiert
Der
Rathausbau kam zügig voran, denn am 22.7. konnte bereits das Richtfest
gefeiert werden. Im Kassentagebuch ist unter dem gleichen Datum
vermerkt:
"Für die
Hebefeier Beitrag zu Verteilung unter den Arbeitern, an Ach 50 Mk."
Der
Bauakt und das Kassentagebuch weisen aus, dass bei der Vergabe der
weiteren Arbeiten in der Hauptsache Vohenstraußer Handwerker und
Unternehmer berücksichtigt wurden. So erhielten den Auftrag fr
die Schlosser- und Kunstschmiedearbeiten: Friedrich Aichinger,
Schreinerarbeiten: Donat Kirner, Martin Koller, Johann Pröls und Lorenz
Gina, Malerarbeiten: Josef Steininger und Georg Fuchs, Spenglerarbeiten:
Georg Sperl, Glaserarbeiten: Johann Pröls und Donat Kirner,
Hafnerarbeiten: Christoph Fischer und August Würschinger, Stuckarbeiten:
Michl Schmeilzl, Drechslerarbeiten: David Krapfenbauer, Eisenlieferung:
Friedrich Ring und J. Lindner,
Ladeneinrichtung: Johann Peugler, Badeeinrichtungen und weitere
Lieferungen: Johann Stahl, Lieferung von Läufern und Teppichen: J.M.
Riebel und Teppicheinfassen: Georg Lang, Lieferung der Patenteisenofen:
Leo Kohler. Weitere Gewerke wurden an auswärtige Spezialfirmen vergeben.
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Schmuck
für das neue Rathaus
In der
Beschreibung des Wettbewerbs wurde zwar festgelegt, dass die
architektonische Ausgestaltung mit Rücksicht
auf die geringen vorhandenen Mittel einfach gestaltet werden soll und
der ornamentale Schmuck auf ein geringes Maß zu beschränken ist, so
wurde doch ein gut proportionierter durchlaufender Erker gebaut mit
einem Wappen in Art Kunststein und darüber
die Rathausuhr. Das Wappen, das im Juli/August 1910 angebracht wurde,
halten zwei kleine Putten auf dem Gesims sitzend. Dies ist
übrigens
der einzige figürliche Schmuck an der Außenfassade.
Über
der Eingangstür hängt eine schmiedeeiserne Außenleuchte, die 1976
instandgesetzt werden musste.
Im I.
Stock wurde ein Wandbrunnen aus geschliffenem Treuchtlinger Marmor mit
Kieselmosaikverkleidung errichtet. Das Mosaik hat ein Italiener
versetzt. Die ausführende Firma war das Bildhauer- und
Stukkateurgeschäft Jakob Grau aus Regensburg.
Die
schmiedeeisernen Schmuckarbeiten an Fenstern und Türen,
im Treppenhaus und die Lampen an den Decken führte
Schlossermeister Friedrich Aichinger aus. Sie geben Zeugnis vom hohen
Stand der damaligen Handwerkerkunst.
Im
Standesamtssaal, Festsaal (Rathaussaal) und in der Ratsherrenstube
(jetzt noch Depot Heimatmuseum) wurden beim Rathausbau fünf
wertvolle Kachelöfen (Renaissanceöfen) in silbergrauer, rehbrauner,
ockergelber und grünlicher
Glasur versetzt. Diese Kachelöfen werden immer wieder wegen ihrer
kunstvollen Formgebung bewundert. Sie sind eine Zierde für
diese Räume.
Beim
Ausbau des Rathaus- und Standesamtssaales erhielt die Decke eine
Holzvertäfelung. Die Galeriebrüstung
im Festsaal ist in den Nachkriegsjahren zugemauert worden.
(Anmerkung des Kreisheimatpflegers Staniczek: überlegenswert, ob nicht
nach Auszug des Heimatmuseums alter Zustand mit Galeriebrüstung
wieder hergestellt werden sollte.)
Nach
zweijähriger Bauzeit Rathausbau vollendet
Nach
zweijähriger Bauzeit wurde der Rathausneubau am 19. Mai 1911 vollendet.
Über Einweihungsfeierlichkeiten sind weder in den Archivakten noch im
Kassentagebuch der Jahre 1909 -1912 Unterlagen vorhanden bzw.
Eintragungen zu finden. Es ist aber kaum anzunehmen, dass dieses
ansehnliche Gebäude so sang- und klanglos bezogen wurde.
Bild des
Vohenstraußer Rathauses im Jahre 1927 (Gasthof zum Schwan schon
aufgestockt) |
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Gewaltige
Kostenüberschreitung
In der
Ausschreibung fr
den Architektenwettbewerb ist angegeben, dass als Bausumme der Betrag
von 100 000 Mk. zur Verfügung
steht. Schon im November 1908 errechnete jedoch Architekt Hans Brühl
eine Baukostenhöhe von 148 000 Mk. und in seinem Schreiben vom 12. Mai
1911 teilte der Magistrat Vohenstrauß dem Bezirksamt Vohenstrauß in der
Sache "Visitation des kgl. Bezirksamts Vohenstrauß auf dem Gebiete des
Gemeindewesens" mit, dass das neue Rathaus mit Sparkasse mit einem
Kostenaufwand von
über
200 000 Mk. errichtet wurde. Im Kassentagebuch sind auf Seite 17 unterm
12.Februar 1912 die Gesamtausgaben mit 201 931,63 Mk. angegeben. Die
Finanzierung dieser großen Baumaßnahme bereitete dem Magistrat und dem
Kollegium der Gemeindebevollmächtigten große Sorgen. Schließlich wurden
die Kosten des Gesamtbaues durch die alljährlich verfügbaren Überschüsse
der gemeindlichen Sparkasse und durch Anlehen aufgebracht. Wie im
Magistratsbeschluss vom 30. November 1908 zugesichert, wurde nach
Vollendung des Baues der Schuldentilgungsplan aufgestellt und dem
Bezirksamt vorgelegt.
Das Kgl.
Bezirksamt Vohenstrauß hat dann am 21. August 1913 unter Nr.2315
folgende Verfügung erlassen:
"Die
Aufnahme eines Anlehens von 75 000 Mk., welches zur teilweisen Deckung
der Kosten der Erbauung eines neuen Rathauses verwendet worden ist, mit
4 % zu verzinsen und nach dem anruhend zurückfolgenden
Schuldentilgungsplan vom 27. März 1912 in acht Jahren zu tilgen ist,
wird hiermit nachträglich staatsaufsichtlich genehmigt." 1920 war das
von der Sparkasse aufgenommene Schuldkapital getilgt.
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Quellenangabe:
1.
Stadt Vohenstrauß, Akten des Archivs Nr. 621/3, 621/10, 631/1,
912/37, 021/1
2.
Stadt Vohenstrauß, Sitzungsprotokollbuch des Magistrats
Vohenstrauß 1911 - 1912
3.
Stadt Vohenstrauß, Sitzungsprotokolle des Collegiums der
Gemeindebevollmächtigten des Marktes Vohenstrauß 1894 - 1919
4.
Stadt Vohenstrauß, Tagebuch über die Einnahmen und Ausgaben
bezüglich der Erwerbung des Ferazin' schen Anwesens Hs.Nr. 74 und des
Rathaus-Erweiterungsbaues 1907 - 1912
5.
Stadt Vohenstrauß, Verzeichnis sämtlicher in der Gemeinde
Vohenstrauß während der Jahre 1897 - 1919 vollendeten Neubauten und
Bauveränderungen
6.
Heimatkundlicher Arbeitskreis Vohenstrauß; „Vohenstrauß im Wandel
der Zeiten“, Stadt Vohenstrauß, 1978
7.
Jubiläumsausgabe "50 Jahre Vohenstraußer Anzeiger", 1879 - 1929
8.
Heimatkundlicher Arbeitskreis Vohenstrauß; Streifzüge 4/1987
„1912-1987 - 75 Jahre Wiedererhebung Stadt Vohenstrauß“ |
Bildnachweis:
Archiv
Hans Frischholz
Archiv
Heimatkundl. Arbeitskreis Vohenstrauß
Archiv Peter
Staniczek, Kreisheimatpfleger
Foto
Kraus, Vohenstrauß: Rathauswappen, Wandbrunnen, Mosaikfenster
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