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Peter Staniczek

 

Hallstattzeitliche Hügelgräber bei Lohma  

Tagebuch einer Ausgrabung

 

 

 

Hügelgräber im Altlandkreis Vohenstrauß?

 

Im September 1989 informierte mich Harald Fähnrich aus Beidl im Landkreis Tirschenreuth über angebliche Hügelgräber bei Lohma (Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab - Altlandkreis Vohenstrauß), die dem Heimatforscher Siegfried Poblotzki, Pleystein, aufgefallen seien.

Sehr skeptisch suchte ich die angegebene Stelle wenig später auf und sah mir die Hügel selbst an, konnte mir aber noch keinen Reim darauf machen, da in der mir bis dahin nur oberflächlich bekannten Literatur [1] zwar eine Entstehung in der Hallstatt-Zeit (750 - 500 v.Chr.) möglich schien, ein Vorhandensein solcher frühgeschichtlicher Siedlungszeugen im Oberpfälzer Wald zwischen Naab und Böhmischer Grenze aber für äußerst unwahrscheinlich gehalten wurde.

So umriss Paul Reinecke schon 1930 in einem Aufsatz über "Die Grenzen vor- und frühgeschichtlicher Besiedlung Nordostbayerns" [2] die vermeintlich siedlungsleeren Gebiete folgendermaßen:

[...] Entlang dem Nordostrande Bayerns, von der Donau angefangen bis in den Thüringer Wald hinein, läuft während der vor- und frühgeschichtlichen Zeit ein breiter Streifen völlig siedlungsleeren Gebietes, der sich großenteils mit dem geographisch-geologisch so scharf umrissenen Waldgebirgsgürtel des Bayerischen und Böhmer Waldes samt Fichtelgebirge und Franken- und Thüringer Wald deckt. Aber das siedlungsarme Gebiet umfaßt dazu auch ausgedehnte Flächen des Vorlandes, so den Oberpfälzer Wald und das Vogtland.

[...] So gut wie das Waldgebirge selbst deckte im Altertum auch die übrigen frei von Siedelung bleibenden vorgelagerten Gebiete Urwald, der dem vorgeschichtlichen Menschen für zusammenhängende oder lockere Siedelung doch nahezu unzugänglich blieb.

Auch im Jahre 1950 bleibt der frühere Direktor des Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Paul Reinecke, bei seiner These des siedlungsfeindlichen Urwaldgebietes im bayerisch-böhmischen Grenzraum [3]:

... Aber das heutige Nordostbayern war zur vor- und frühgeschichtlichen Zeit, deren Ende bei uns erst in das Mittelalter fällt, keineswegs allerorten bewohnt gewesen. ... Während des Altertums lag nördlich der Donau bis zum Zuge des deutschen Mittelgebirges eine ungemein breite Fläche siedelungsleeren Urwaldes zwischen den besiedelten Gebieten der Donauebene wie des anschließenden Jura (nebst einem Randstreifen anderer geologischer Formation) einerseits und denen Südwest- wie Nordböhmens andererseits. Zum Böhmerwald samt seiner Fortsetzung im Fichtelgebirge und Frankenwald umfaßte dies Waldgebirge fast restlos auch noch den Bayerischen Wald, den Oberpfälzer Wald und ausgedehnte Gebietsteile westlich der Naab bis in die Nähe der oberen Pegnitz. Auf der böhmischen Seite hat der vorgeschichtliche Mensch bis auf einen Ausnahmefall damals auch das ganze obere Egergebiet gemieden. ... Wenn von den vor- oder frühgeschichtlichen Bewohnern Nordostbayerns oder der Oberpfalz die Rede war, hat man ihnen in der Regel das ganze Land zugewiesen, also auch das bis zur großen Rodungszeit unbewohnte Waldgebirge, statt sie lediglich innerhalb der archäologisch einigermaßen genau nachweisbaren Siedlungsgrenzen zu suchen.

 

Lohnt sich eine Grabung?

 

Als mich Fähnrich im Mai 1990 anrief, ob von Seiten des Kreisheimatpflegers Unterstützung bezüglich einer Versuchsgrabung möglich sei, waren deshalb immer noch Zweifel geblieben.

Lohnte sich der zu erwartende große Aufwand an Vorbereitungs- und Grabungsarbeiten angesichts der äußerst geringen Wahrscheinlichkeit eines Erfolges?

 

Auch das Inventar der vor- und frühgeschichtlichen Geländedenkmäler der Oberpfalz von Armin Stroh [4] von 1975 war nicht dazu angetan, optimistischer an die Sache heranzugehen, denn die Altlandkreise Tirschenreuth, Vohenstrauß und Oberviechtach waren ein weißes Blatt, was die Verbreitung von Grabhügeln betraf. Die Karte (3) im Atlas von A. Stroh deckte sich mit den Aussagen von P. Reinecke

 

Zwei Tatsachen aber lieferten schließlich den Grund, die Grabung dennoch zu versuchen.

Einerseits waren es die Arbeiten des verstorbenen Heimatforschers Gerd Zückert aus Weiden [5], der es als unzulässig ansah, die vorhandenen Lücken in der Siedlungsgeschichte jeweils mit der völligen Abwanderung der gesamten Bevölkerung erklären zu wollen, von Siegfried Poblotzki aus Pleystein [6], der vor allem durch seine umfangreichen Funde die Besiedlung unseres Raumes in der Steinzeit nachweisen konnte, und Ernst Thomann aus Nabburg [7], der in seinen Veröffentlichungen u.a. schon auf die Hallstattfunde bei Altendorf, Zangenstein und Uckersdorf im Murach-Schwarzach-Gebiet hingewiesen hatte.

Zum Zweiten war es die Lage nahe der Prager Straße, einer bis ins Frühmittelalter nachzuweisenden Verkehrsverbindung, die mich neugierig machte, hatte doch Reinecke zumindest schon eingeräumt, dass trotz dieser Siedelungsleere [...] der breite Waldgürtel kein Hindernis für gelegentlichen vorübergehenden, unständigen Aufenthalt des Menschen wie auch für dauerhaften Verkehr von Land zu Land bildete.[8]

 

 

Planungsphase

 

Kosten sollten durch die Grabung möglichst wenig entstehen, größere Finanzierungen fallen in dieser Zeit überall sehr schwer. Deshalb plante ich, das ganze Unternehmen als Unterrichtsprojekt mit meinen Schülern der 9. Klasse am Schuljahrsende durchzuführen. Mit dem Schulleiter der Hauptschule Vohenstrauß, Herrn Rektor Sennert, wurden die schulischen Abläufe abgesprochen.

Ab Juni 1990 liefen die Vorbereitungen: Der Besitzer des Grundstücks, Friedrich Zilbauer aus Braunetsrieth, gab seine Einwilligung. Das Landesamt für Denkmalpflege, Außenstelle Regensburg, musste unterrichtet und um Erlaubnis gefragt werden ("halboffizielle" Grabung kam nicht in Frage). Da die Hügelanlage im möglichen Bereich des geplanten Autobahnneubaus Amberg - Waidhaus liegt, wurde einer Grabung zugestimmt.

Lothar Breinl vom Landesamt für Denkmalpflege, schon im Herbst 1989 vor Ort und von Poblotzki über die Hügelgräber informiert, drückte sich sehr vorsichtig aus: wenn das ein Gebiet wäre, wo es Hügelgräber gibt, würde er sofort sagen, dass es welche seien; außerdem würden sie zu den größten Grabhügeln gehören, die er kenne.

Die Presse wurde nicht benachrichtigt, um keine Raubgräber aufmerksam zu machen. Landrat Binner zeigte sich sofort begeistert von dem Unterrichtsprojekt und spendierte für die grabenden Schüler einen Zuschuss. In Flossenbürg vereinbarte ich mit Herrn Schopper vom Landesamt für Denkmalspflege wegen des Unterrichtsprojektes ein Gespräch zur weiteren Planung. Die Verwaltungsgemeinschaft Pleystein schickte kostenlos Kartenkopien im Maßstab 1:5000.

 

Anfang Juli kam Herr Schopper nach Vohenstrauß, brachte Dias mit, und wir besprachen den Ablauf des Unterrichtsprojektes sowie der Grabung. Schopper hatte die Hügelanlage ebenfalls schon im Herbst 1989 besichtigt.

Anlässlich einer Exkursion mit dem Heimatkundlichen Arbeitskreis zur Hügelanlage sprachen Einheimische von einer Grabanlage aus dem 30-jährigen Krieg, die Anlage war hier bei der Bevölkerung durchaus bekannt.

Nivelliergerät, Maßstäbe, Schnur, Maßband, Pflöcke u.a. zur Vermessung notwendige Geräte mussten organisiert werden, bevor es endgültig losging. Am Vormittag des 11.06.90 kamen Schopper und Röhrl vom Landesamt zum Unterricht in die Schule: Aufgaben der Denkmalpflege, Funktion und Organisation des Landesamts, Ablauf der Frühgeschichte, Einordnung der Hallstattzeit, Aufbau von Hügelgräbern, mögliche Funde und Arbeitstechniken bei der Grabung waren die vielfältigen Unterrichtsthemen.

Anschließend ging es mit den Schülerinnen und Schülern sowie den notwendigen Werkzeugen und Schubkarren per Bus zur Grabungsstätte. Meine Frau besorgte noch Brotzeit, Getränke und ein Beil beim Sägewerk Drexler. Einen Schlegel hatten wir in letzter Minute noch bei Herrn Dobmayer, unserem Hausmeister, besorgt.

 

 

Erste Grabungsphase

 

Erst wurde der Platz vermessen. Die Schüler entbuschten den Hügel, die ersten Steine wurden nach dem Abtragen der Humusschicht auf dem Hügel entdeckt. Nackt kam er recht passabel zur Geltung, nachdem er vorher unter Holunder und anderen Büschen kaum zu sehen war. Nun wurde der Hügel im Profil vermessen, seine Höhe betrug etwa 1,20 Meter, sein Durchmesser etwa 12 Meter. Die beiden anderen Hügel liegen in einer Entfernung von jeweils 20 Metern.

Von den drei vorhandenen Hügeln hatten wir den mittleren zur Grabung ausgesucht, da über seiner südlicheren Hälfte schon ein Waldweg eine Störung verursacht hatte.

 

Es folgte noch eine Einführung in die Notwendigkeit der Höhenmessungen, die ich am nächsten Tag während der Grabung selbständig vornehmen sollte, da aus Termingründen niemand vom Landesamt kommen konnte.

Am Abend folgte ein Kurzlehrgang in die Arbeit mit dem Nivelliergerät für den kommenden Tag durch den Bauingenieur Reinhard Schmidt, Millimeterpapier wurde gekauft, um Messdaten und Funde (?) eintragen zu können.

Poblotzki erwähnte am Telefon, als ich ihn zur Grabung einlud, dass er die Hügel schon seit seiner Kindheit kenne, dass allgemein angenommen wurde, sie würden zu den Schanzen beiderseits der Prager Straße, heute B 14, gehören, von denen viele während der Neutrassierung zerstört worden seien.

 

Nachdem ich die ganze Nacht vom Nivelliergerät geträumt hatte, stellten sich am nächsten Tag die Sorgen als unbegründet heraus, da sich einige Schüler auf Grund einer Schnupperlehre bei der Fa. Wittmann ausreichend auskannten. Die Schüler arbeiteten äußerst engagiert, der 18 Meter lange und 3 Meter breite Schnitt im Bereich des Fahrwegs wurde weitgehend freigelegt. Gegen Abend kamen Breinl und Poblotzki vorbei, beide neugierig.

Nach dem an einem weiteren Arbeitstag eine Steinpackung freigelegt wurde, begann das Warten. Warten, bis Breinl kam: Profil zeichnen, Steine wurden eingemessen, einige Schüler blieben bis zum Abend, denn die Spannung war groß - was würde unter und hinter den Steinen liegen?

Wir legten einen Teil des Niveaus noch tiefer und stießen auf einen Ring von Steinen, Marc Schmidt, Student der Frühgeschichte aus Vohenstrauß, machte die letzten Zeichnungen).

Enttäuschung machte sich breit, keine Keramik- oder Knochenfunde waren gemacht worden. Vermeintliche Holzkohle, in größeren Mengen gefunden, wird von Breinl als Folge von Inkohlung (= Umwandlung von Pflanzen in Kohle unter Luftabschluss) klassifiziert. Da die großen Ferien vor der Tür stehen, wird die Grabung eingestellt. Breinl, der Grabungstechniker, glaubt nicht an einen Grabhügel, da die Steinpackung völlig untypisch V-förmig im Erdhügel liege, er hätte es umgekehrt erwartet, außerdem fehlte auch der erwartete äußere Steinring. Auch unter dem inneren tiefsten Steinring keine Funde - Enttäuschung vor allem bei den Schülern!

 

 

Zweite Grabungsphase

 

Im Januar 1991 fand auf Betreiben der Leiterin der Regensburger Außenstelle des Landesamtes für Denkmalpflege, Frau Codreanu, ein Treffen an der Grabungsstelle bei Lohma statt, anwesend waren außerdem Breinl, Poblotzki und Fähnrich. Wir einigten uns auf eine Fortsetzung der Grabung, diesmal als Unterrichtsprojekt mit meiner 7. Klasse. Frau Codreanu erklärte sich bereit, Marc Schmidt auf Zeitvertrag zur Grabung abzustellen, um längere Arbeitsunterbrechungen zu vermeiden, die aufgetreten waren durch die erforderlichen Anreisen von Regensburg zum Zwecke der Planzeichnungen und Vermessungen. Geplant wurde zunächst, den ganzen Hügel nördlich des ersten Grabungsschnittes abzutragen, bei Erfolg sollten weitere Maßnahmen in Betracht gezogen werden.

 

Im April war es dann wieder soweit. Marc Schmidt, Student der Frühgeschichte, entfernte Schicht für Schicht den gelben Lehm des Hügels und legte so die ganze Steinpackung frei. Am 22. April 1991 fand er dabei noch außerhalb der Steine im Lehm einen ersten Scherben. Form und Herstellungsart deuteten auf frühgeschichtliche Keramik - wir hatten also tatsächlich ein Hügelgrab vor uns. Unsere Freude überwog alle Zweifel, wir waren durchaus ein wenig euphorisch, auch der Besitzer wurde über den Fortgang der Grabung informiert. Bei der Reinigung des Scherbens entdeckte Marc Verzierungen, die wie mit dem stumpfen Ende eines Schaschlikstäbchens im Halbkreis eingedrückt waren. Am nächsten Tag wurde, immer noch etwas außerhalb der eigentlichen Steinpackung, ein weiterer Scherben sowie Leichenbrand (weiße, kalzinierte Knochen) gefunden. Die Stimmung stieg immens - Hallstatt war möglich!

Das so langweilige Zeichnen und Vermessen fiel uns nun viel leichter, der Erfolg lag ja nun in Griffweite: Schicht für Schicht wurde die Steinpackung weiter freigelegt, ein Gittergerüst erleichterte das Messen, vier weitere Scherben wurden gefunden. Breinl vom Landesamt ließ sich auch wieder blicken, zeigte sich über die Fundentwicklung überrascht und erfreut.

Im Mai wurde das erste Planum vorbereitet, vermessen und gezeichnet. Von oben gesehen ergab sich eine Steinlage von etwa vier mal drei Metern Ausdehnung.

 

Die Spannung stieg: Am 13. Juni 1991 wurde mit den Schülern der 7. Klasse (Hauptschule Vohenstrauß) das 2. Planum angelegt; die Kinder arbeiteten begeistert und ausdauernd mit, niemand wollte beiseite stehen, jeder den ersten Fund machen. Die Scherbenfunde waren reichhaltig, viele mit Verzierungen. Marc nahm die Sache sehr ernst, bevor wild in die Tiefe weitergegraben wurde, mussten die Kinder in ihrem Tatendrang gebremst, das 2. Planum wieder vermessen (auch die Höhen mit dem Nivelliergerät!) und gezeichnet werden; gegen 18.30 Uhr wurden die letzten Funde in dieser Schicht geborgen.

Am 20. Juni 1991 legten wir das dritte Planum frei; wieder fanden wir überraschend viele Scherben, leider keine Skelettteile. Wir konnten durch Funde zwei flache Teller vervollständigen. Beim Vergleichen mit anderen Hallstattfunden fand sich ein ähnliches Exemplar bei Walter Torbrügges Inventar der Gemeinde Beilngries [9]: Im Grund - Ost, 33, Grab 32/2 fand sich an der Südwestecke des Baues [...] ein Teller über kalzinierten Knochen "anscheinend vom Menschen". Mit seinem alten Mittelloch muß er als Urnendeckel fungiert haben. Wenn wirklich keine Urne vorhanden war, wird er den Leichenbrand in einer kleinen Grube abgedeckt haben.

 

 

Vorläufige Zusammenfassung

 

Nach Reinecke [10] gehören auch alle Gräberdenkmale und Gräberfunde zur Siedlungsstatistik, da wir regelmäßig von vor- und frühgeschichtlichen Gräbern auf die zugehörigen Wohnstätten schließen müssen.

Die Grabanlage bei Lohma, die dort gemachten Funde und deren Verzierungen deuten auf eine Siedlung der Hallstattzeit, also der frühen Eisenzeit, hin.

Vieles spricht nun dafür, dass unser Raum in dieser vorgeschichtlichen Zeit doch besiedelt war. Unsere Kulturlandschaft wird sicher noch weitere Überraschungen für uns bereit halten - machen wir die Augen auf!

 

 

 

Fortsetzung folgt (Hallstattzeit 2)

 


Fußnoten

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[1]   Hans Peter Uenze: "Hallstattzeit", in Archäologie in Bayern, Prähistorische Staatssammlung, W. Ludwig Verlag Pfaffenhofen, 1982, S. 91 ff.

 

[2]  Reinecke, Paul: Die Grenzen vor- und frühgeschichtlicher Besiedlung Nordostbayerns, in Bayer. Vorgeschichtsfreund, Band 9, 1930, S. 3 ff.

"[...] Böhmen war innerhalb der das Land auf allen Seiten umgebenden Waldgebirgs- und Waldhöhenzüge (Böhmer Wald und Fichtelgebirge [...]) mit mehreren, nur lose zusammenhängenden Siedelungsgauen während der vor- und frühgeschichtlichen Zeiten ziemlich dicht besiedelt.

[...] Das ganze Urgebirgsmassiv, das Böhmen gegen das Donauland absetzt, blieb im Altertum frei von Besiedelung [...]. Die besiedelte Grenzzone umfaßt dann weiter westlich [...] (die) Umgebung von Klattau, [...] immer sich in der Nähe des Gebirges haltend, das Gebiet von Taus, Ronsberg, Hostau, und Bischofteinitz. Von Taus aus schieben sich die Funde wieder in die Senke von Eschlkam und Furth im Walde vor, hier den wichtigsten Durchgang durch den mittleren Teil des Böhmer Waldes bezeichnend. Der weitere Verlauf der Grenze des böhmischen Siedlungsgebietes zieht sich dann kräftig in Nordostrichtung zurück zur mittleren und unteren Mies und läuft nördlich von Pilsen zur mittleren Eger in das Gebiet von Kaaden.

[...] Außer dem eigentlichen Böhmer Wald und seinen Randstreifen blieben also in Westböhmen auch Teplergebirge, Kaiserwald und Erzgebirge samt den Talbecken der oberen Mies und der oberen Eger völlig frei von vorgeschichtlicher Siedelung. Nur an einem Punkte hat hier in fernen Zeiten in einem eingegrenzten Gebiet der Mensch Fuß gefaßt, wie jungneolithische und frühhallstättische Siedelungszeugnisse aus der Umgebung von Eger lehren.

[...] Nördlich vom mittleren Regen und vom Westteil des Bayerischen Waldes springt vom Jura und vom Naabgebiet her ein breiter Keil dünn gesäter vorgeschichtlicher Besiedelung in die Rodinger Bucht vor, ohne ostwärts Cham zu erreichen, [...]. Dann aber weicht die Siedelungsgrenze sofort wieder zur Naab zurück und umfährt rechts der Naab das Land östlich, nordöstlich und nördlich von Amberg in großem Bogen bis zum Quellgebiet der Vils. Außerhalb dieser Grenzlinie stößt jedoch naabaufwärts (in Nordrichtung) vorgeschichtliche Besiedelung mit einem guten Beleg (Flur Bonau bei Rothenstadt, südlich von Weiden; Wohngruben, Grabhügel) bis an die unterste Waldnaab vor. Aus der südlichen Umgebung von Vilseck läuft danach die Grenze zunächst weiter westwärts bis unweit Königstein, um dann nordwärts abzubiegen.

[...] Auch außerhalb dieser Linie haben wir wieder einen Vorstoß vorgeschichtlicher Siedelung nach Osten zu verzeichnen: der zu verschiedenen vor- und frühgeschichtlichen Zeiten bewohnte, von einem vorrömischen Ringwall umgebene Rauhe Kulm bei Neustadt a. Kulm liegt wie eine Siedelungsinsel inmitten siedelungsleerer Gebiete.

[...] Aber trotz dieser Siedelungsleere bildete der breite Waldgürtel kein Hindernis für gelegentlichen vorübergehenden, unständigen Aufenthalt des Menschen wie auch für dauerhaften Verkehr von Land zu Land.

[...] Eine dritte wichtige vor- und frühgeschichtliche Weglinie durch den Böhmer Wald benützt die Senke von Eschlkam und Furth im Walde.

[...] Mit der Senke von Furth im Walde oder mit einem unmittelbar nördlich davon gelegenen  anderen Übergange vom Siedelungsgebiet um Taus hängen zweifellos Einzelfunde zusammen, die am Südrande des Oberpfälzer Waldes bei Neunburg vorm Wald und östlich davon zum Vorschein gekommen sind. Nach mittelalterlich-neuzeitlicher Bezeichnung können wir hier also weiter von einer Straße Nürnberg - Amberg - Pilsen - Prag sprechen, von einem Wege, der unabhängig von den zur Donau führenden Wegen das Siedelungsgebiet Westböhmens mit dem des Vils- und Pegnitzjuras verband. Als Belege für diesen Weg dienen vorgeschichtliche Einzelfunde von Berndorf bei Rötz [...], von Unterauerbach nordwestlich von Neunburg vorm Wald [...] und von Neunburg vorm Wald [...]

[...] Einmal hat im Gebiet nördlich von Eger (im Bereich des Franzenbader Moores) [...] mindestens während der Frühhallstattzeit eine Siedelunginsel bestanden.“

 

[3]  Reinecke, Dr. Paul (Direktor a.D. des Landesamtes für Denkmalpflege): Die Oberpfalz und ihre Bewohner in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, Oberpfälzisches Heimatbuch von Karl Winkler, Kallmünz, 3. Auflage 1950, S. 15 ff.

[...] Die heutige Oberpfalz ist wie das geographisch so eng mit ihr zusammenhängende übrige nordostbayerische Gebiet schon uralt besiedeltes Land.[...] Aber das heutige Nordostbayern war zur vor- und frühgeschichtlichen Zeit, deren Ende bei uns erst in das Mittelalter fällt, keineswegs allerorten bewohnt gewesen. Der urgeschichtliche Mensch hat hierselbst bis gegen das Zeitalter Karls des Großen ausgedehnte zusammenhängende Strecken niemals für Siedelungszwecke aufgesucht, sondern gemieden. [...] Viel schärfer läßt uns jedoch die Verbreitung der vor- und frühgeschichtlichen Funde und Bodendenkmale erkennen, welche Landesteile zwischen Alpenrand bzw. Donau und dem deutschen Mittelgebirgszuge damals einigermaßen geschlossen bewohnt waren und welche siedlungsleer geblieben sind. [...] Während des Altertums lag nördlich der Donau bis zum Zuge des deutschen Mittelgebirges eine ungemein breite Fläche siedelungsleeren Urwaldes zwischen den besiedelten Gebieten der Donauebene wie des anschließenden Jura (nebst einem Randstreifen anderer geologischer Formation) einerseits und denen Südwest- wie Nordböhmens andererseits. Zum Böhmerwald samt seiner Fortsetzung im Fichtelgebirge und Frankenwald umfaßte dies Waldgebirge fast restlos auch noch den Bayerischen Wald, den Oberpfälzer Wald und ausgedehnte Gebietsteile westlich der Naab bis in die Nähe der oberen Pegnitz. Auf der böhmischen Seite hat der vorgeschichtliche Mensch bis auf einen Ausnahmefall damals auch das ganze obere Egergebiet gemieden. Freilich führten durch diesen breiten Urwaldgürtel von der Donau und Nordostbayern nach Böhmen hinüber mehrere zu allen Zeiten begangene uralte Verkehrswege, so über die Senke von Furth im Walde mit Zugängen von der Donau wie vom Westen her, und dann wieder in der Linie der oberen Eger. [...]

Während der älteren Hälfte des ersten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung, als für Waffen und Werkzeug an Stelle der seither verwendeten Kupferlegierung Bronze allmählich das Eisen trat, dürfte im heutigen Nordostbayern zunächst ein Teilstamm des illyrischen Volkes gewohnt haben. Aus nördlich gelegenen Sitzen hatten sich damals indogermanische Illyrer und die ihnen nahestehenden Veneter durch die Ostalpen auch auf beide Seiten der Adria stark nach Süden vorgeschoben. [...] Innerhalb dieser sogenannten Hallstattzeit bestehen wieder recht enge kulturelle Zusammenhänge der Oberpfalz mit Südwestböhmen [...]

[4]  Stroh, Armin: Die vor- und frühgeschichtlichen Geländedenkmäler der Oberpfalz, Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte, Reihe B, Heft 3, Kallmünz 1975, S. 231 ff

[5]  Zückert, Gerhard: Frühe Besiedlung um Luhe, in OH 15. Band - Weiden 1971, S. 51 ff. u. Zückert, Gerhard: Altbesiedelte Steinpfalz, in OH 28. Band - Weiden 1984, S. 7 ff.

[6]  Poblotzki, Siegfried: "Vorgeschichte in der nördlichen Oberpfalz", in OH 32. Band - Weiden 1988, S. 71 ff.

[7]  Thomann, Ernst: Vorgeschichtsfunde um Nabburg, in OH 10. Band - Weiden 1966, S. 120 ff. u. Thomann, Ernst: Vorgeschichtliche Funde im Landkreis Nabburg, 1970, S. 38 f.) u. Thomann, Ernst: Hallstattzeit um Nabburg, in OH 23. Band - Weiden 1979, S. 43 ff. u. Thomann, Ernst: Vorgeschichtliche Funde im Nabburger Umland 1970 - 1980, 1982, S. 46

[8]  siehe Anm. 1)

[9]  Torbrügge, Walter: Die Hallstattzeit in der Oberpfalz, II. Die Funde und Fundplätze in der Gemeinde Beilngries, Laßleben Kallmünz 1965, Tafel 61/1 (Im Grund - Ost, 33, Grab 32/2.): "An der Südwestecke des Baues fand sich ein Teller über kalzinierten Knochen "anscheinend vom Menschen". Mit seinem alten Mittelloch muß er als Urnendeckel fungiert haben. Wenn wirklich keine Urne vorhanden war, wird er den Leichenbrand in einer kleinen Grube abgedeckt haben."

[10]  Reinecke, Paul: Die Grenzen vor- und frühgeschichtlicher Besiedlung Nordostbayerns, in Bayer. Vorgeschichtsfreund, Band 9, 1930, S. 3 ff.