Peter Staniczek, Kreisheimatpfleger
Vortrag anlässlich der Festveranstaltung am 1. Dezember
1999 in der Simultankirche in Altenstadt bei Vohenstrauß
Urkundliche
Erstnennung
Vohendreze – Vohenstrauß
1124
Kirchenweihe in Altenstadt
Den Grund, weshalb
wir uns heute an würdiger Stätte und in würdiger Form versammelt haben,
kennen Sie alle aus Einladung und Begrüßungsrede und Zeitungsberichten.
Weshalb also noch ein weiterer Vortrag? Ich möchte Ihnen in der nächsten
halben Stunde ein wenig die Zeit erhellen, aus der es nur wenig schriftliche Überlieferungen
gibt., eine Zeit der Landnahme, der Besitznahme, der Eroberung, harter Arbeit
und Abenteuerlichkeit. Eine Zeit, in
der König und Vasallen mit und durch ihre Ministerialen und Hintersassen
teils im Einklang, teils im Wettstreit das großenteils herrenlose
Waldland unserer Region durch Rodung in Besitz nahmen.
875 Jahre sind vergangen seit jener denkwürdigen
Kirchenweihe in Vohendreze im Jahre 1124, die vorläufiger Endpunkt und sicher Höhepunkt
der Kolonisation in unserem Raume darstellte. 875 Jahre sind auch vergangen seit
dem Jahr 1124, mit dem auch die erste Nennung des Ortes Vohendreze verbunden
ist.
Lebensbeschreibungen des Bamberger
Bischofs Otto (geb. um 1060, 1102-1139)
Zwei Angaben in den
Lebensbeschreibungen des Bamberger Bischofs Otto I., des Heiligen, verfasst von
den Michelsberger Mönchen Ebo (1151-1159) und Herbord (1158-1159) erzählen,
dass der hl. Otto auf seiner ersten Missionsreise nach Pommern zwei Kirchen
geweiht habe.
Herbord
fasste sich recht kurz: Nachdem alle notwendigen Reisevorbereitungen
getroffen waren, nahm er (Anm.: Bischof Otto) am nächsten Tage nach dem Feste
des hl. Märtyrers Georgius Abschied von Volk und Klerus und weihte, wie um
durch dieses Werk den Weg zu heiligen, zwei Kirchen, eine in Luckenberge und
eine andere in Vohendrezze. Von da überschritt er den Böhmerwald und kam über
die Abtei Kladrau nach Prag.
Bischof Otto
war der wichtigste Repräsentant der Spätphase der Kirchenreform in Franken, in
seiner Person verbanden sich Königstreue
und Reformgesinnung. Er gründete und erneuerte über 20 Klöster und Stifte
auch mit Hilfe der ihm gewährten reichen Königsschenkungen. Nachdem er schon
in jüngeren Jahren am Hofe des polnischen Herzogs Wladislaw tätig gewesen war,
hatte ihn Herzog Boleslaw aufgrund des polnisch-pommerschen Vertrags von 1120
zur Missionierung der Pommern berufen.
1124 Weihe der Kirche in vohendreze
Der Michelsberger Mönch
Ebo schmückt seinen Bericht etwas aus:
Wie er also
mit seinem edlen Gefolge auszog, wurde er am folgenden Tag von dem Edelmann (illustri
viro) Gebhard von Waldeck zur Weihe seiner Kirche eingeladen, welche er
mit größter Andacht und gebührender Feierlichkeit des Gottesdienstes
konsekrierte (=weihte).
Dann setzte er
seine Reise fort und weihte eine andere Kirche, nämlich in Vohenstrauß im
Bistum des ehrwürdigen Bischofs Hartwig von Regensburg, natürlich mit seiner
Erlaubnis und auf sein Ersuchen.
Dort empfing ihn
eine zahlreiche Volksmenge, auf 6000 oder mehr gerechnet (=geschätzt), und
erbat von ihm demütig die Gnade der hl. Firmung.
Nachdem sie
dieselbe durch seine Handauflegung erlangt hatte, begann sie (die Volksmenge)
alsbald in bewundernswerterweise Glück zu wünschen ... und die göttliche Milde
des so großen Vaters für ein langes Leben und einen guten Verlauf seiner Reise
eifrig herabzuflehen.
Bei Illuminatus
Wagner wird noch auf einen Datierungsfehler bzw. Verwechslungsfehler
hingewiesen, so müsste es statt Georgius richtig Gangolfus heißen.
Die Reiseroute
Ottos wird nach Joh. Looshorns Geschichte des Bistums Bamberg folgendermaßen
rekonstruiert:
Die Vogteien über
die Bamberger Ausstattungsgüter, die im Nordgau vielfach auf Besitzungen der
Babenberger
zurückgehen, verschafften den Sulzbachern [...] erhebliche Wirkungsmöglichkeiten
für die Konsolidierung (Festigung) der Herrschaftsrechte.
Die Grafen von Sulzbach
Die Besitzungen und
Herrschaftsbereiche der Dynastensippe der Sulzbacher gruppierten sich um die im
westlichen Nordgau gelegenen Burgen Sulzbach, Kastl und Habsberg.
Seit dem späteren
11. Jh. (um 1062 )
führte sie auch den Grafentitel.
Ihr Grafentitel ist
vor allem durch den großen Grundbesitz und volkreiche Hintersassenverbände im
mittleren und nördlichen Nordgau zu erklären.
Sie waren mit den führenden
Geschlechtern des elften und zwölften Jahrhunderts versippt
(u.a. auch mit den Saliern), ihr Hauskloster wurde das von (unserem) Graf
Berengar
um 1102/3 gegründete Hirsauer Reformkloster Kastl.“
Dabei sei daran
erinnert, dass die Grafen von Sulzbach [...] Hochstiftsvögte von Bamberg und
Anhänger der Kluniazenser waren, die den Ägidiuskult verbreiteten.
Die Sulzbacher
waren also im Besitz Bamberger und Regensburger Vogteigüter und hatten Allodien
(Eigengüter) von Ammerthal, Creußen und Thurndorf im Westen bis nach
Parkstein, Floß und Tirschenreuth im Osten und Norden des Nordgaus.
In unserem Raum hören
wir erstmals von den Sulzbacher Grafen, als König Heinrich III.
im Jahre 1043 einem Berengar – vermutlich der Stammvater des Sulzbacher
Dynastengeschlechts – vier Königshufen in Trauschendorf, Matzlesrieth und
Mogenriut (abg. bei Mugelhof) schenkt.
Beim siedlungsmäßigen
Ausbau des Grenzraumes gegen Böhmen – also unserer unmittelbaren Heimat -
wurden die Sulzbacher zu mächtigen Konkurrenten des Markgrafen aus
diepoldingischem Geschlecht. Die Sulzbacher
waren Erbauer und Besitzer der Burgherrschaften Murach und Flossenbürg,
die seit Anfang des 12. Jahrhunderts nachgewiesen sind.
Bis zur Mitte des
12. Jahrhunderts hatten sie ihren Herrschaftsbereich durch Rodungen in dem
herrenlosen Waldland nahe der böhmischen Grenze in einer Linie von Flossenbürg
über Bergnetsreuth/Grafenreuth, Roggenstein, Altenstadt, Moosbach/Gebhardsreuth
bis Murach ausgedehnt.
Das edelfreie
Geschlecht der Rackendorfer
stand dabei im Vasallenverhältnis zu
den Sulzbachern, Ministeriale der Grafen von Sulzbach saßen in Floß und
Moosbach, weitere Besitzungen befanden sich in den schon genannten Orten.
Bei
Altenstadt/Vohenstrauß durchkreuzten die Sulzbacher Grafen damit die
Linie der Rodungstätigkeiten der Diepoldinger
Markgrafen, deren Familie aus dem schwäbischen Donau-Lech-Gebiet stammte
und im frühen 12. Jahrhundert zu den einflussreichsten Dynasten im östlichen
Nordgau gehörte.
Die Diepoldinger Markgrafen
Die Gründung der
Klöster Reichenbach am Regen (1118) und Waldsassen (1133) durch Markgraf
Diepold III. (gest. 1146) lassen die Bedeutung seiner Herrschafts- und
Siedlungspolitik deutlich erkennen.
In unserem Raum
baut auch er mit Hilfe seiner Vasallen und Ministerialen allodiale
Rodungsherrschaften (Eigenbesitz) aus.
In diesem
Zusammenhang drang er am Ende des 11. und im beginnenden 12. Jahrhundert auch
entlang der von Nürnberg und Amberg über Köblitz und Waidhaus nach Böhmen führenden
Altstraße“
in den der Mark Nabburg vorgelagerten Grenzraum gegen Böhmen vor.
Wittschau,
Bernrieth bei Döllnitz, Lohma, Waidhaus und Tännesberg waren Sitze
diepoldingischer Ministerialen, die hier ihre Rodungsherschaften ausbauten.
Die adeligen
Vasallen, die edelfreien Geschlechter der Leuchtenberger und Döllnitzer, waren
zunächst nicht Konkurrenten, sondern Stützen der markgräflichen
Territorialisierungsbestrebungen.
Im zwölften
Jahrhundert wird die herrschaftliche Erschließung des Nordgaus dadurch
deutlicher erkennbar, dass nun zahlreiche Geschlechter des Adels
(„Edelfreie“) der Gewohnheit folgen, ihrem Personennamen den Namen ihrer
Stammburg oder eines wichtigen Besitzortes anzufügen.
Sehr bald erkannten
sie, dass sich das königliche Bodenregal, dem herrenloses Waldland unterlag,
von dem durch die Wirren des Investiturstreits geschwächten Königtum nicht
durchgesetzt werden konnte und es entbrannte durchaus ein Wettkampf um
sogenannte allodiale Eigenherrschaften (allodial = dem Lehensträger persönlich
gehörender Grund und Boden).
Zu den edelfreien
Geschlechtern in unserem Raum gehörten die schon genannten Vasallen der
Sulzbacher Grafen, die Rackensteiner, sowie die edelfreien Geschlechter der Döllnitzer
und Leuchtenberger, die zu den Lehensmännern bzw. Vasallen der Diepoldinger
Markgrafen zählten.
Gebhard I. von Leuchtenberg
Der erste
Leuchtenberger, den wir namentlich kennen, ist Gebhard I. (=
1146).
Er nennt sich nach
der Burg über der Luhe und ist erstmals im Jahre 1118 urkundlich nachweisbar.
Er erscheint als Zeuge bei einer Schenkung des Markgrafen Diepold III. an sein
im Aufbau befindliches Kloster in Reichenbach am Regen. Aus der Zeugenliste geht
hervor, dass er nicht zu den Ministerialen (Dienstmannen) des Markgrafen gehörte,
sondern zu den Lehensmännern, den Vasallen des Markgrafen Diepold III. zählte
Die
Leuchtenberger hatten also zunächst als Vasallen des Markgrafen Diepold III.
eine kleine Herrschaft im Bereich der Burg, nach der sie sich nannten, als
markgräfliches Lehen inne.
Über seine
Herkunft, seine Eltern ist nichts bekannt, aber über seine Ehefrau "Helwica
oder Heilwig" und seinen Schwiegervater, den schon anfangs erwähnten reich
begüterten Dynasten Friedrich von Hopfenohe-Pettendorf-Lengenfeld, wissen wir
aus der Ensdorfer Klosterchronik .
Obwohl wir also über
seine Vorfahren keine urkundlichen Überlieferungen haben, kann aus den
verwandtschaftlichen Beziehungen seine damals schon große Bedeutung auf dem
Nordgau abgeleitet werden. Gebhard I. war über den schon genannten
Schwiegervater auch Schwager des bayerischen Pfalzgrafen Otto V. von
Scheyern-Wittelsbach .
Nachdem die Herren
von Hopfenohe um 1115
im Mannesstamm ausstarben, kamen die ausgedehnten Besitzungen vor allem an die
Scheyern-Wittelsbach sowie ein bedeutender Teil in der nördlichen Oberpfalz an
die Leuchtenberger, die u.a. in den Waldecker Besitz eintraten und sich auch
danach benannten.
Als Vermächtnis
des verstorbenen Schwiegervaters Friedrich von Hopfenohe stifteten im Jahre 1121
die Wittelsbacher (Pfalzgraf Otto V. von Wittelsbach) das Kloster Ensdorf im
Vilstal südlich von Amberg .
Am 25. Juli 1123
wurde die Kirche des Klosters von keinem Geringeren als Bischof Otto von Bamberg
geweiht. Wir dürfen annehmen, das Gebhard I. von Leuchtenberg bei der Weihe in
Ensfeld anwesend war.
Als Gebhard
I. 1146 starb, wurde er im Kapitelsaal von Ensdorf neben seinem Schwiegervater,
dem Stifter des Klosters, begraben; und dort fanden auch die 1166 gestorbene
Heilwig und ihre Söhne Friedrich und Gebhard ihr Grab.
Fassen wir zusammen:
Wenn auch im Jahre
1124 im damaligen Vohendreze sicher keine 6 000 Menschen den später heilig
gesprochenen Bischof Otto von Bamberg empfangen und umjubelt hatten, so war die
zu weihende Kirche aber auch nicht mehr im siedlungsfreien Waldland erbaut
worden.
Sicher war schon
vor der bairischen Landnahme der östliche Nordgau von einer „keltischen,
durch verschiedene germanische und wohl auch slawische Einflüsse überformten
Bevölkerung bewohnt“.
Auch die Altstraßen,
die unser Gebiet in West-Ost-Richtung durchqueren, fast parallel nördlich und südlich
des Gemeinwesens Vohendreze verlaufend, waren sicher schon vor dem Landesausbau
des 11. Jahrhunderts zur Versorgung des hier verlaufenden Handelsverkehrs
zumindest sporadisch besiedelt.
Aus den Gewässernamen,
die häufig mit gleichlautenden Ortsnamen einhergehen, lässt sich auch eine frühe
slawische Besiedlung ableiten. Über deren Herrschaftsformen wissen wir noch
recht wenig, vielleicht helfen die archäologischen Befunde von Speinshart,
Barbaraberg u.ä. Orten in Zukunft weiter.
Einen starken Bevölkerungszuwachs
brachte auf jeden Fall der Landesausbau des 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts
in unseren Raum, nachdem es im Naabtal und an den Unterläufen der Naabnebenflüsse
sowie den ersten Höhenzügen des östlichen Naabgebirges zu eng geworden war.
Der
Raum des ehemaligen Vohenstraußer Altlandkreises zwischen Naab und böhmischer
Grenze, an den Flussläufen der Luhe und der Pfreimd, entlang der Altstraßen
von Köblitz nach Waidhaus sowie von Luhe über Michldorf und Tresenfeld nach Böhmen
war attraktiv genug, dass die bedeutendsten Dynastengeschlechter des Nordgaus
bei deren Kolonisation in Konkurrenz traten.
An
den häufigen Ortsnamen mit der Endung –reuth und –rieth in unserer engeren
Heimat lassen sich diese immensen
Anstrengungen heute noch nachvollziehen.
Die
diepoldingischen Markgrafen, das Grafengeschlecht der Sulzbacher und die
emporstrebenden Leuchtenberger teilten sich im Wesentlichen den vorhandenen
Kuchen auf. Um ihre Herrschaft auch äußerlich zu demonstrieren, bauten sie
nicht nur Burgen, sondern auch Kirchen als Lebensmittelpunkt ihrer volkreichen
Hintersassenverbände.
Auch
dabei treten wieder zwei führende Adelsgeschlechter
in Konkurrenz:
Der
Edle Gebhard I. von Leuchtenberg, Vasall des Markgrafen Diepold III. und Graf
Berengar von Sulzbach.
Wir wissen leider
nicht, wer bei der Kirchenweihe in Vohendreze alles anwesend war. Bei der Gläubigkeit
der Menschen des Mittelalters, der Wichtigkeit einer Konsekration im bis dahin kirchenleeren Raum, dürften alle Adeligen mit
Vasallen, Ministerialen und
Hintersassen an der Feier teilgenommen haben, zumal eine so prominente Person
wie Bischof Otto von Bamberg nicht allzu oft in der Gegend zu erwarten war.
In den kurzen
Beschreibungen der Bamberger bzw. Michelsberger Mönche wird allerdings Graf
Berengar von Sulzbach, obwohl der Ranghöhere, im Gegensatz zu Gebhard I. von
Leuchtenberg nicht erwähnt. Vielleicht hat er sich entschuldigen lassen aus
gesundheitlichen Gründen (er starb ein Jahr später) oder wegen dringenderer
Amtsgeschäfte, er war ja enger Vertrauter von Kaiser Heinrich V. (der ebenfalls
als letzter Salier ein Jahr später starb). Man kennt das ja, möglicherweise
hat er sich von einem Vasallen, vielleicht dem Rakendorfer oder von einem seiner
Ministerialen, vielleicht dem Burghüter der Burg Floß vertreten lassen. Aber
das ist nun reine Spekulation.
Verwendete Literatur
Bernd,
Dieter, Historischer Atlas von Bayern, Altbayern, Vohenstrauß, 1977
Frischholz, Hans u. Würschinger, Otto u.a., Vohenstrauß
im Wandel der Zeiten, Vohenstrauß 1978
Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern, Heft VIII,
Bezirksamt Vohenstrauß, Oldenbourg: München 1907
Lexikon der deutschen Geschichte, Stuttgart: Kröner 1979
Spindler, Max (Begr.); Kraus, Andreas (Hg.), Handbuch der
bayerischen Geschichte, Bd. 3, Teilbd. 3, Geschichte der Oberpfalz, Beck 1995
Wagner, Illuminatus, Geschichte der Landgrafen von
Leuchtenberg, I. Teil, Laßleben 1952
Wappmann, Volker, Zur Geschichte von Altenstadt bei
Vohenstrauß, in Oberpfälzer Heimat Bd. 22, Weiden 1978, S. 85-90
Fußnoten
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Anm.: Schutzpatron der Kirche in Michldorf war der hl. Ulrich, Diepoldinger
kamen aus dem schwäbischen Raum