Peter
Staniczek
Geburtszeugnis
für Maria Anna Karl
Böhmischbruck
am 12. Mai 1888
Bis weit ins 19.
Jahrhundert war "Heimat" kein ausschließlich emotional besetzter
Begriff, sondern "eine rechtliche Zuständigkeitsbestimmung, die
Versorgungs- und Armenrecht, politische und gewerbliche Aktivität und
Verpflichtungen und Leistungen regelte" (Führ, E. (Hrsg.): Worin noch
niemand war: Heimat. Wiesbaden, Berlin 1985, S.100). Eine neue Heimat, das
sog. Heimatrecht, konnte man beispielsweise durch Heirat erlangen. Erst ab 1868 darf jeder heiraten, unabhängig von Besitz, Heimat und Genehmigung der Gemeinde.
Die bayrischen Gemeindeväter behalten aber entgegen dem Bundesgesetz weiter ein Einspruchsrecht, wenn Unterstützungsempfänger, Steuerschuldner oder Häftlinge heiraten wollen.*)
Spurensuche
Viele Fragen und
Anreiz zu weiteren Nachforschungen bietet ein Brief, geschrieben am 12. Mai 1888
im Pfarramt Böhmischbruck, der im Archiv des Vohenstraußer Heimatmuseums
liegt.
Er ist "Vom
Pfarramte Böhmischbruck An Anna Karl, Wäscherin" gerichtet,
"Abzugeben bei Herrn Wagner in München Adlzreiterstraße Nr 2 c/II
rechts".
Der Absender,
das Pfarramt Böhmischbruck, hat den Brief per Nachnahme geschickt,
gestempelt und mit Wachs verschlossen. Verschiedene Stempel zeigen den Weg, den
der Brief bis zu seiner Empfängerin genommen hat: Moosbach (14. Mai),
Vohenstrauß, Weiden (15. Mai), München F.Übn. (15. Mai), München X (16.
Mai).
Bei
dem Brief selbst handelt es sich um ein gebührenpflichtig ausgestelltes "Geburtszeugniß".
"Maria
Anna Karl, eheliche Tochter des Johann Karl,
Maurers
und Gütlers von Ödpillmansberg und dessen
Ehefrau
Magdalena geb. Kraus, Taglöhnerstochter
von
Ödpillmansberg ist geboren zu Ödpillmannsberg
am
11. September 1848 (ein tausend acht hundert
vierzig
und acht) und wurde am folgenden Tage in
der
Pfarrkirche zu Böhmischbruck nach kath. Ritus
getauft.
Dieß
bezeugt auf Grund der pfarramtl. Geburtsmatrikel
zum
Zwecke der Verehelichung
das
kath. Pfarramt Böhmischbruck
P.
Obermeier (...?)"
Weitere
Aufschlüsse über das Anliegen der Anna Maria Karl gibt eine unauffällige, mit
Bleistift geschriebene Notiz des Pfarrers Obermeier:
"Wegen
des Heimatscheins und Leumundzeugnisses
wenden
Sie sich an die Gemeinde Niederland
Post
Moosbach O.pf."
Eine Menge
Fragen:
Welchen
sozialen Status hatte ein "Maurer und Gütler" im Jahre 1848?
Welchen
sozialen Status hatte eine Taglöhnertochter?
Was
bewog die Tochter nach München zu gehen (auszuwandern)?
Wie
übte sie den Beruf der Wäscherin aus (selbständig, angestellt, in welchem
Betrieb)?
Wen
wollte die immerhin schon fast Vierzigjährige heiraten (soziale
Situation)?
Wozu
brauchte die Anna Maria Karl einen Heimatschein bzw. ein Leumundszeugnis?
Welche
Beziehungen hatten die Orte Ödpielmannsberg, Böhmischbruck und Niederland
damals zueinander (Wohnort, Pfarrei, Gemeinde), was hat sich geändert?
Was
ist aus der Anna Maria Karl geworden?
Gibt
es Nachkommen der Maria Anna Karl in München?
Gibt
es Nachkommen der Familie in Ödpielmannsberg?
Mit
welchen Beförderungsmitteln ging der Brief von Böhmischbruck nach München?
Wie
stellt sich die Adresse "Adlzreiterstraße Nr 2 c/II rechts" heute dar
(Wohnhaus, Geschäftshaus)?
Ich
würde mich freuen, wenn diese Seite Anlass geben würde, Spurensuche zu
betreiben bzw. eine Facharbeit zu diesem Thema zu schreiben. Ergebnisse
würde ich gerne hier vorstellen.
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Weitere,
amüsant zu lesende Informationen der Autorin Ernestine Koch, das "Gesetz
zum Recht auf Heimat und Verehelichung" betreffend, finden Sie auf der
Internet-Seite des Bayerischen Rundfunks:
http://www.br-online.de/wissen-bildung/kalenderblatt/2002/09/kb20020911.html