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Der Weg ins Industriezeitalter

 

Den wirtschaftlichen Schwerpunkt des nordostoberpfälzischen Raumes haben wir zu Beginn des Industriezeitalters in der Glas- und Porzellanindustrie zu suchen.

Die Erfindung der Dampfmaschine leitete dabei die klassische industrielle Ära ein. Die entstehenden "Manufacturen" und Fabriken wurden unabhängig von Wasserführung und Verlauf eines Baches oder Flusses.

Die Veränderung der Erwerbsstruktur zeigt sich am auffälligsten im Niedergang der heimischen Weberei, die hauptsächlich in "Heimarbeit" neben der Landwirtschaft betrieben wurde.

Durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze mussten aber auch weniger Menschen auswandern.

1855 waren in den hiesigen Schleif- und Polierwerken sogar 107 böhmische "Gastarbeiter" tätig, die über die Grenze pendelten.

Mit der Fertigstellung der Eisenbahn (1886), 

der Gründung der Porzellanfabrik (1901)

und der Einführung der "Electricität" (1904)

wurde der endgültige Schritt in die Industriegesellschaft auch in Vohenstrauß vollzogen.

 

"Kuchlgschirr" und andere Hafnerware

 

 

Beim Töpfern begegnen wir einer der ältesten und ursprünglichsten Betätigungen des Menschen. Dabei spielen die volkstümlichen vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer eine nicht wegzudenkende Rolle:

 

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Die Erde - Ton oder Lehm - ist das Urmaterial.

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Durch das Wasser lässt sich der Ton formen.

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Das Trocknen an der Luft ist Voraussetzung für das sich daran anschließende Brennen.

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Erst durch das "feurige Element" gewinnt der aus Ton geformte Gegenstand seine endgültige und dauerhafte Gestalt.

In der Vohenstraußer Häuserliste von 1590 wird unter 26 Berufen auch der Hafner aufgeführt.

Unter dem Oberbegriff Keramik unterscheiden wir je nach Art des Tons und der Brenntemperatur

hauptsächlich sechs Arten: Irdenware, Terrakotta, Fayencen, Steingut, Steinzeug und Porzellan.

 

Porzellan - das "weiße Gold"

 

"Die allerschönste irdene Waare ist das Porcellan, welches noch vor 120 Jahren aus China und Japan zu uns gebracht wurde, bis es einem Sachsen gelang, Porcellan zu verfertigen, das dem chinesischen nicht nachsteht."

(Gailer, 1835)

 

Gegenüber anderen keramischen Massen hat die Porzellanmasse (Kaolin, Quarz und Feldspat) einen höheren Kaolin- und Feldspatanteil. Sie kann deshalb höher und härter gebrannt werden.

Wie die Glasherstellung fußt auch die Porzellanindustrie auf heimischen Bodenschätzen.

Dabei erlangten die nordoberpfälzischen Porzellanfirmen mit ihren hochwertigen Erzeugnissen durchaus Weltruf.

 

Porzellanfabrik

Johann Seltmann Vohenstrauß

 

Der Gutsbesitzer Johann Seltmann (1856-1921) gründete die Porzellanfabrik im Jahr 1901 in der Gemarkung Altenstadt bei Vohenstrauß.

Für die Wahl dieses Standortes sprach die damalige Verlängerung der Bahnlinie von Vohenstrauß nach Waidhaus und damit eine mögliche Weiterführung der Strecke zu den Rohstofflagern in Böhmen. Zunächst konnten die meisten Rohstoffe im nahen Oberpfälzer Raum bezogen werden.

Daneben verfügte das Bezirksamt über ein unerschöpfliches Angebot an billigen, anlernbaren Arbeitskräften.

Der Betrieb war von Beginn an der größte Arbeitgeber im Bezirksamt Vohenstrauß.

Im Jahr ihres 25jährigen Bestehens war die Porzellanfabrik Johann Seltmann ein Unternehmen von Weltgeltung mit 600 Beschäftigten.

1975 wurde der Familienbetrieb in eine GmbH umgewandelt.

Leider haben es unsere "Porzelliner" nicht  geschafft, sich trotz  Modernisierung und Rationalisierung

auf dem Weltmarkt zu behaupten.

 

Die Entwicklung der Glasindustrie in und um Vohenstrauß

 

 

Die erste Glashütte der Oberpfalz in Frankenreuth

 

Die erste nachweisbare Glashütte in der Oberpfalz bestand bereits im Jahre 1487 in Frankenreuth bei Waidhaus. Im Volksmund war sie als Schedelhütte bekannt. Die Gründung dieser Hütte liegt sicherlich noch weiter zurück, denn bei der ersten urkundlichen Nennung handelt es sich um einen Erbbrief des Pfalzgrafen und Herzogs Otto an einen Hans Glaser.

Nicht weit entfernt wurden 1585 von einem Hans Reichenberger zwei Glashütten in dem nach seiner Familie benannten Rodungsgebiet Reichenau errichtet.

Die letzte dieser beiden Glashütten ließ Graf Mansfeld im Jahre 1621 vernichten.

 

Vom Hammerwerk zur Glasschleife

 

Während der Blütezeit des Oberpfälzer Bergbaus von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis Anfang des 17. Jahrhunderts, entstand in unserer Region ein weitläufiges Netz von Eisenhämmern entlang der vielen Bach- und Flussläufe.

Wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen,  technische Umwälzungen und zunehmende europäische Konkurrenz, überlagert durch die katastrophalen Wirkungen des ausbrechenden Dreißigjährigen Krieges, führten schließlich zum Niedergang des Oberpfälzer Montanwesens zu Beginn des 17. Jahrhunderts.

Die Hammerwerke wurden großenteils in Säge- und Papiermühlen, Glasschleifen, Spiegelschleif- und Polierwerke umgewandelt, die ebenfalls das Wasser als Antriebskraft nutzten. Dabei sparten die neuen Werke einen großen Teil der Einrichtungskosten, denn die Anlagen für die Übertragung der Wasserkraft waren ja bereits vorhanden.

 

Schleif- und Polierwerke

 

Um 1705 wurde die Technik des Spiegelschleifens aus Frankreich in die Oberpfalz eingeführt.

Ehemalige Eisenhämmer und Mühlen entlang von Zott, Pfreimd und Tröbesbach wurden in Glasschleifen umgebaut.

Der Landsasse Leonhard A. v. Voith baute 1749 seine Mühle und Schneidsäge in eine Glasschleife um.

1870 gab es im Bezirk Vohenstrauß 25 Schleif- und Polierwerke mit 335 Beschäftigten, die sich bis 1895 auf 44 Betriebe mit insgesamt 631 Arbeitskräften erhöhten. Sie waren hauptsächlich Zulieferer

der Fürther Flachglasindustrie. 

Im Jahre 1928 wurde in Weiden eine Glasfabrik auf das neue Ziehglasverfahren umgestellt. Die erzeugte Glasqualität machte das Schleifen und Polieren überflüssig. Nur noch hochwertiges Spiegelglas wurde nach der herkömmlichen Methode bearbeitet.

 

 

Aus Berichten der Fabrikinspektoren im Jahre 1881

 

"Von den Glasschleifern und Glaspolirern zu Altenhammer, B.-A. Neustadt wurden nach Dr. Greiner

in Floß 29 % behandelt und zwar meist an Krankheiten der Respirationsorgane (Athmungsorgane), da die Arbeiter durch Inhalation von Quarzstaub, die Polirer durch Inhalation (Einathmung), von Eisenstaub (Eisenoxyd) leiden.

Die Arbeiter in der Glashütte "Annahütte" im B.-A. Eschenbach, 21 an der Zahl, sind nach Bezirksarzt Dr. Herman von schwacher Muskulatur in Folge des häufigen Nachtdienstes (8 mal im Monat); sie verdienen täglich bis 2 Mark.

Die Glasfabrik in Frankenreuth B.-A. Vohenstrauß, beschäftigt in 34 Glasschleifen und Polirwerken

zusammen 393 Arbeiter, von welchen ein Drittheil weiblichen Geschlechts ist. Davon starben im Berichtsjahr 11, die meisten an Lungenkrankheiten."

 

Bruno Schoenlank (1859 - 1901)

 

 

 

Neubeginn der "Glasmacher"

 

Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs kamen die Polieren alle zum Stillstand. Mit der Umwandlung der stillgelegten Danzerschleife an der Zott wurde der Grundstein für die Hohlglasveredelung im ehemaligen Landkreis Vohenstrauß gelegt.

Von Juni 1946 bis November 1947 ließen sich zehn aus der Tschechoslowakei vertriebene sudetendeutsche Glasraffineure aus dem Gebiet um Haida-Steinschönau in der Stadt und im Landkreis Vohenstrauß nieder.

Am 30. Januar 1950 wurde die Kristallglasfabrik "Füger und Taube" mit 140 Arbeitern eröffnet. Durch die Hohlglasproduktion dieser Hütte stieg die Anzahl der Glasraffinerien in der Stadt und dem Umland bis 1953 auf insgesamt 23 an.

In einem 1954 von der Stadt Vohenstrauß herausgegebenen "Merkblatt für Industrieansiedlung" bezeichnet man sich selbst als eine Stadt, die sich "nun von einem Schwerpunkt zum Zentrum der Haida-Steinschönauer Glasindustrie entwickelt hat".

Die internationale Konkurrenz und der Konzentrationsprozess auch in diesem Industriebereich führen zu einem harten Existenzkampf der noch ansässigen Betriebe.

Die Vohenstraußer Kristallglasfabrik musste 1993 schließen.