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Steinkreuze (Peter Staniczek)

 

 

Wer von Eslarn nach Oberlangau fährt, entdeckt an einer alten Grenzlinie (heute Landkreisgrenze zwischen Neustadt a.d.Waldnaab und Schwandorf) etwa 50 m östlich der neu errichteten erhöhten Straße über den Ödbach eine Rarität im Raum Eslarn-Schönsee, ein Steinkreuz. Ursprünglich stand es näher an der Straße und wurde bei der Neutrassierung verlegt.

Die Oberlangauer erzählen heute noch, dass hier in den "Eslarner Äcker­wiesen" (Volksmund: "Eselswiesen") die Hirten von Oberlangau und den Höfen („vo da Hief“) miteinander gerauft hätten, wobei einer oder gar beide zu Tode gekommen seien. Das angrenzende Waldstück nördlich des Baches trägt noch den Namen "Oberhöfer Hut".[1]

Die vorliegende Sage weist auf die Bedeutung dieses Steinkreuzes als Sühnekreuz hin, lässt es damit historisch auch einigermaßen einordnen, wobei auch die zusätzliche Funktion als Grenzzeichen durchaus möglich erscheint.

Steine dieser Art wurden etwa zwischen 1300 und 1600 als Zeichen der Sühne für begangenen Totschlag errichtet. Konnte sich der Täter mit den Angehörigen des Erschlagenen vergleichen, so wurde er nicht von Gerichts wegen verfolgt oder verurteilt.

 

So beschwerte sich im Jahre 1534 ein Wolf von Guttenstein zu Neustadt bei dem Pfalzgrafen Friedrich, "dass die Weidener ein Steinkreuz zwischen der Salzbrücke und dem Forst aus der Herrschaft Störnstein und Neustadt entfernt und in ihrem neu aufgerichteten Friedhof zu Weiden eingemauert hätten. Dies Kreuz gelte als Markungs­zeichen und sei daher wieder an seinen Ort zu bringen". Der Rat der Stadt Weiden antwortete u. a. mit einer Erklärung der tatsächlichen Funktion dieses Kreuzes, "so durch Einen von Neustadt eines Abgeleibten halber gesetzt sein soll", "es handle sich um kein Grenz-, sondern um ein Totschlagzeichen, da es allenthalben gebräuchlich, dass an dem Orte, an welchem Tot schlag geschehen, auf der Landstraße Kreuze gesetzt werden", und weiter: "Das Kreuz ist auf beweich bemelter Herrschaft Störnstein und Neustadt, mit der der Täter sich umb den Totschlag vertragen, gesetzt worden, auch der tote Körper in bemelter Herrschaft begraben alles ohne männiglich Einre­de". [2]

Zu einem solchen Vergleich (Sühne­vertrag) gehörte u.a.:

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für das Seelenheil des Toten eine bestimmte Anzahl von Messen lesen zu lassen;

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der Kirche dafür Wachs zur Verfügung zu stel­len;

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die Beerdigungskosten zu übernehmen;

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Wallfahrten zur eigenen Buße und zum Seelenheil des Getöteten zum Teil bis nach Rom zu unter­nehmen;

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den Hinterbliebenen ein "Wer- oder Manngeld" zu entrichten;

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schließlich neben weiteren Bußen am Ort der Tat ein steinernes Kreuz errichten zu lassen.[3]

Die Erinnerung an den Toten sollte da­durch lange wachgehalten werden, die Gebete der Vorübergehenden ihn, der ja in der Regel nicht von einem Geistlichen mit den Sterbesakramenten versehen worden war, dem Himmel näher bringen, ebenso wie die vielen anderen Sühnemaßnahmen.

Sühnekreuze zeigen oft eingemeißelte Symbole, mögliche Hinweise auf die Identität des Opfers, des Täters oder die Tat. Rätselhaft erscheinen die Zeichen auf dem vorliegenden Stein, vier Kerben in der Anordnung "I : I", sie werden wohl nie eindeutig zu erklären sein, ein Sühnevertrag konnte bisher noch nicht gefunden werden.

Im Jahre 1533 wurden durch die Einführung der Halsgerichtsordnung Kai­ser Karls V. die privaten Abmachungen durch die Tätigkeit ordentlicher Gerichte ersetzt. Obwohl offiziell abgeschafft, hielten sich die Sühneverträge aber noch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts.

Die Beschädigung des Oberlangauer Steinkreuzes an Kopfstück und Querbalken, einer ist fast ganz abgeschlagen, geht wahrscheinlich ebenfalls ins 16. Jahrhundert zurück. Mit Pfalzgraf Friedrich III. aus dem Hause Simmern gelangte 1559 ein Anhänger des Schweizer Reformators Calvin an die Regierung in den Pfälzer Landen. Er ging über die Maßnahmen seiner Vorgänger Ottheinrich und Friedrich II., die die Kirchengüter säkularisiert (= verweltlicht) hatten, weit hinaus. So befahl er die Entfernung und Vernichtung aller religiöser Darstellungen und Ausschmückungen wie Altäre, Taufsteine, Sakramentshäuschen, Kreuzwege, Ölberge und dergleichen.[4] Möglicherwiese erklärt dieser Kulturvandalismus das Fehlen von Steinkreu­zen im Gebiet Eslarn - Schönsee, allerdings nicht das relativ häufige Vor­kommen in den benachbarten Gebie­ten.

Im Volksmund bezeichnet man sie auch gern als "Schwedenkreuze", "Pestkreuze" oder "Hussitenkreuze". Von den letzteren, die an Verbrechen der oft grausamen Hussitenkriege des 15. Jahrhunderts erinnern, von denen auch das Gebiet um Eslarn nicht verschont blieb, soll sich in der Nähe von Putzenrieth ein Exemplar befunden haben.[5] Vermutlich am alten Weg von Putzenrieth über den Eiterbach nach Heumaden gelegen, konnte es von dem Heimatforscher Michael Hardt aber bereits in den 30-er Jahren nicht mehr aufgefunden werden. Niemand weiß, wo es hingekommen ist.[6]

Das Fehlen von Steinkreuzen im Eslarn-Schönseer Raum glauben die Volks- und Rechtskundler mit der schon erwähnten Bilderstürmerei des 16. und der Säkularisation des beginnenden 19. Jahrhunderts sowie der durchaus denkbaren Verwendung von weniger haltbaren Holzkreuzen anstelle der aufwendigeren und teuereren Steinkreuze erklären zu können. Möglicherweise waren aber die Bewohner unseres Landstriches damals nicht so rauflustig oder einfach zu arm.

 

 

Quellen:
 

[1] Rainer H. Schmeissner, Steinkreuze in der Oberpfalz, 1977, S. 244 - In Josef Hanauers "Heimatbuch der Marktgemeinde Eslarn", Eslarn 1975, S. 69 f., finden wir für das Jahr 1494 einen historisch belegten Streit unter verschiedenen Besitzern der "Öde zu Altmansreut", der mit einem Vergleich endete. Die­ser Streit wird aber nicht im Zusammenhang mit der Errichtung eines Steinkreuzes erwähnt. 

[2] Wolfgang Bauernfeind, Aus dem Volksleben, Neudruck 1979, OWV Windischeschenbach, S. 134 f. 

[3] L. Wittmann, Was bedeuten die alten Steinkreuze?, Beilage zu "Das Steinkreuz", Mitteilungs-Blätter, Nürnberg 1961, Heft 2 

[4] Gertrud Benker, Heimat Oberpfalz, Regensburg 1981, S. 130, 132

[5] Michael Hardt, Die Flurdenkmale des Landkreises Vohenstrauß, in Das Steinkreuz, Nürnberg 1961, Heft 2, S. 7  

[6] Rainer H. Schmeissner, Steinkreuze in der Oberpfalz, 1977, S. 203 - Rainer H. Schmeissner, Oberpfälzer Flurdenkmäler, Regensburg 1986 - Benno Hubensteiner, Bayerische Geschichte, München 1980

 

Steinkreuz in Altenstadt bei Vohenstrauß vor der Ortsverschönerung

Dasselbe Steinkreuz nach der Ortsverschönerung einige Meter zur Straße hin versetzt (Streusalz!) und strahlend bzw. gestrahlt (ursprünglich eingemeißelte Pflugschar ist nicht mehr zu erkennen). Denkmalpflege zweimal ausgehebelt!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Reiner H. Schmeissner, Steinkreuze in der OberpfalzRegensburg, 1977

Auf dem Titel befindet  sich  eines der Handkreuze im Elm bei Vohenstrauß

Reiner H. Schmeissner, der wohl kompetenteste Kenner der Steinkreuze in der Oberpfalz hat in seinem Standardwerk für den Landkreis Neustadt an der Waldnaab 78 Exemplare aufgelistet, von denen sich der überwiegende Teil östlich der Naab, also im Nördlichen Oberpfälzer Wald befindet. Die Bestandsaufnahme erfolgte in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Im Folgenden sollen nach und nach diese sagenumwobenen, steinernen Geschichtszeugen vorgestellt werden.

 

 

 

 

 

 

 

Der Artikel "Steinkreuze" stammt aus:

Peter Staniczek, Der Herrgott auf dem Feld, Information der Kreisheimatpfleger, Heft 2, Vohenstrauß 1990, S. 6 - 9