Der Kalte Baum als visueller Spiegel
Autobahnbauer lassen sich für 400 Jahre alte Steinlinde besondere Bauwerkgestaltung einfallen - Höchster Punkt der A 6
Kaltenbaum. (fjo) Längst hat er seine Blätter verloren, und dichter Nebel umhüllt ihn fest. Geblieben ist der stetige Wind, der eiskalt und unbarmherzig über die lichte Höhe weht. Aber dennoch musste der Kalte Baum schon vor vielen Jahren sein uraltes, mystisches Bild opfern, denn längst brausen pausenlos Tausende Fahrzeuge jeden Tag an ihm vorbei.
Nach der
Waidhauser Landstraße ist es nun die Autobahn, die jene
sagenumwobene Stelle in unserer Zeit streift. Da die
Wahl der Straßenplaner auf den Höhenzug fiel, ging es
der mindestens 400 Jahre alten Steinlinde zunächst fast
an die Wurzeln. Nahezu bis zum Stamm war eine Böschung
geplant, da die A 6 just an dieser höchsten Stelle auch
noch sechs Meter über das Geländeniveau geführt werden
musste. Nur der sofortige Widerspruch von
Kreisheimatpfleger Peter Staniczek aus Vohenstrauß
konnte drohendes Unheil noch rechtzeitig abwenden.
Weiße Frau
Bauingenieur Peter Wunderlich, der mit Beginn des Jahres
zum Abteilungsleiter Brückenbau bei der
Autobahndirektion berufen worden war, erkannte die
Situation der "relativ großen" Stützmauer zur Vermeidung
der riesigen Böschung. Diese war bereits in glattem
Sichtbeton ausgeführt, um nicht in "zu starke
Konkurrenz" zum Naturdenkmal zu treten. Aber das war
Wunderlich zu wenig, und so kam ihm die Idee einer
besonderen Bauwerkgestaltung.
Der mystische Baum selbst bildet das ideale Objekt.
Spiegelverkehrt und ohne Blätterkleid wird die Wirkung
als "visueller Spiegel" noch verdeutlicht. Wunderlich
verknüpfte seine Idee mit den uralten Sagen, die sich
seit Generationen um den Kalten Baum ranken.
Viel Symbolik
Wieder war es Kreisheimatpfleger Staniczek, den
Wunderlich von seiner Idee erzählte. Immer öfter tauchte
jene Weiße Frau aus verschiedenen Sagen auf, was ihr nun
einen Platz in der Bauwerkgestaltung einbrachte. Die
rund 80 Zentimeter hohe Figur trägt viel zur Symbolik
bei. Kein Gesicht, keine Hand und kein Herz
dokumentieren letztlich "das Nichts", da es sich auch um
ein Gespenst oder einen Geist handeln könnte. Alles was
aus Stahlblech geschnitten wurde, ist nur der Umriss
eines weißen Gewandes.
Aber aus jener leeren, kalten Herzstelle entspringt
dennoch aus dem betongrauen Untergrund ein Baum obenauf.
Klare Konturen in Blau vertiefen die optische Form und
verstärken als kalte Farbe die Idee des Ursprungs. Die
Verwendung der Farben Blau und Weiß hatte für Wunderlich
aber noch einen anderen Sinn: Es sind die bayerischen
Farben.
Der höchste Punkt ist es nun seit wenigen Monaten für
die Autobahn geworden, zumindest zwischen dem künftigen
Autobahnkreuz "Oberpfälzer Wald" und dem Grenzübergang
Waidhaus. Ziemlich exakt auf 600 Höhenmetern begleitet
die Fernstraße eine über 400 Meter lange Lärmschutzwand.
Ein aufgelockerter Pfostenabstand ist hier nicht das
einzige gestalterische Element, auch zwei Glasflächen
lockern die eintönige Fassade ergänzend auf. Wieder ist
es das winterliche Motiv eines kahlen Baums, das sich in
den Sicherheitsglasscheiben zwar wiederholt, aber nun
auf Siebdruckfolie viel intensiver und feiner
ausgeformt. Einmal in Silberweiß, einmal in Blau,
wiederholen die Darstellungen den Akzent der bayerischen
Farben, ebenso die blauen Pfosten. "Es ist also sehr
viel Symbolik darin", verdeutlicht Wunderlich.
In Kürze kommt noch mehr, lässt der Abteilungsleiter
bereits wissen: An den Enden der Lärmschutzwand "gähnt"
noch eine große leere Betonfläche. Diese ist zwar "wegen
der Optik" bereits in Form von Buchstützen ausgebildet,
wird aber bald mit den Wappen der Stadt Vohenstrauß und
dem Landkreis Neustadt aufgewertet.
Fotos: Peter Staniczek