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Gästebuch  

 

Kirwagäns´und Köichln

 

 
So heißt ein kleines Taschenbuch, 1996 herausgegeben vom Bezirkstag der Oberpfalz. Die Kreisheimatpfleger wurden damals gebeten, für diese Sammlung von "100 Oberpfälzer Schmankerln mit Kartoffelgerichten" Rezepte zu liefern. Anlass, mich in die Thematik einzuarbeiten und vor allem auf dem Wege der originalen Begegnung die Umsetzung von Rezepten aus erster Hand in der Praxis mitzuerleben, zu genießen und natürlich zu notieren.

Dieses kulinarische Erlebnis verdanke ich der Familie Bodensteiner vom Gasthaus "Zum Goldenen Hirsch" in Tröbes bei Moosbach, vor allem der "Senior-Chefköchin" Frau Mathilde Bodensteiner und ihrer Tochter, die ihren Gästen immer das Gefühl geben willkommen zu sein.

Bevor ich nun zu den Rezepten selbst komme, einige kleine Vorbemerkungen zur Geschichte der heimischen Küche.

 

 

Essen im 19. Jahrhundert

 

 

Bei der sehr einfachen Lebensweise der Nordoberpfälzer spielte die Küche noch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts keine bedeutende Rolle.

Eine große, eiserne Pfanne diente zur Herstellung von Suppen, Kartoffel-, Mehl- und Eierspeisen. Das Grundnahrungsmittel Kartoffel wurde auf mannigfache Art und Weise weiter verarbeitet: roh, gekocht, geröstet, als Knödel, Nudel, Dotsch und als Suppe.

Für das Brot wurde das benötigte Roggenmehl bis zu zwei Drittel mit Hafermehl vermengt.

Schweinefleisch gab es gebraten, geräuchert oder eingesalzen, 2 - 3mal im Jahr.

Der Bezirksarzt Dr. Wilhelm Brenner-Schäffer berichtet 1861 über den Speiseplan in der Nordostoberpfalz:

 

 

"Milch, Mehlspeisen und Kartoffeln sind die Hauptbestandtheile jedes Mahles.

 

Früh Milch- oder Kartoffelsuppe,

Mittags gleiche Suppe mit Klößen von verschiedener Form aus schwarzem Mehl oder Kartoffeln, oder bloß Kartoffelbrei, als Dessert gebratene ganze Kartoffeln in der Schale, die in bessern Bauernhäusern den ganzen Tag in der Asche rösten,

Abends die gleiche Suppe und den ganzen Tag das selbstgebackene schwarze, saure Roggenbrod.

 

An Feiertagen und besonderen Festtagen, in beßern Häusern alle Sonntage, kommt Sauerkraut, das einzige Gemüse, das der Bauer kennt, mit selbst geräuchertem Schweinefleische oder Rindfleisch.

 

Im Sommer wechselt in heißen Tagen mit den obigen Suppen auch eine Biersuppe, bestehend aus aufgeschnittenem Brod, über das ein paar Maaß Bier oder Covent (Nachbier) geschüttet wird, und mit den obigen Speisen große Schüsseln mit grünem Kopfsalat in Essig ohne Oel.

 

Nur ein oder zweimal im Jahr, zumeist an Kirchweihfesten kommt frisches Fleisch mit gekochtem Merrettig an die Reihe."

 

 

In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts

 

 

sammelte der "Förster-Josef", Dr. Josef Lutz, in Kleinschwand bei Tännesberg im ehemaligen Bezirksamt Vohenstrauß bei den Dorfbewohnern Geschichten, Sitten und Gewohnheiten und zeichnete sie auf.

Als Beispiel für einen Werktagswochenplan der Küche nennt er, als Gewährsfrau eine Frau Bodensteiner nennend:

 

 

"Morgens:

Ärdöpflsuppm oder Budasuppm oder A(Ein)brennsuppm.

 

Mittags:

Sonntag: Kraut, Gselchtes, Dotsch.

Montag: Übergebliebenes Kraut, Mehldotsch.

Dienstag: Reisbrei, Erdäpfldotsch.

Mittwoch: Kne´la (Spatzn) u. Milchsuppe.

Donnerstag: Kraut, Schopperla.

Freitag: Erdäpflbrei und gebackenes Kne´l.

Samstag: Geriebene oder ganze Gerste, Dotsch.

 

Werktagsabends:

Kartoffel- oder Butter- oder Einbrennsuppe.

Zuweilen Buttermilch und gebratene Kartoffel (mit Haut in der Röhre gebraten)."

Maultaschen verschiedenster Art, "Rampara", "Bachane Kne´la", Dotsch und

vor allem die beliebten "Schopperla" in manigfaltiger Zubereitung als "Bauchstecherla", "Hofbauernschopperla", "Hozanga", "bachane Hailoitern" oder "Mulnhauslschopperla" brachten Abwechslung in die Küche.

Zur Erntezeit gab es mittags auch einmal "wos bessas wöi gwenle: a weng Oiar oigschlogn, öiamal a Fleisch."

Ferner "Gröisgnela, Wasserköichla (=Wasserratz´n), öiamal Nuln oder a so a Zaich".

 

 

 

Bodenständige Küche überdauert die Zeit

 

 

In den letzten Jahren kamen eine ganze Menge Kochbücher der traditionellen Küche auf den Markt, die sich - Nostalgie hin oder her - wieder mit der bodenständigen Oberpfälzer Küche beschäftigen: das Moosbacher Kochbuch - ein Bestseller in mittlerweile zwei Bänden, das Parksteiner, das Weidener, das Chamer Kochbuch, um nur einige zu nennen.

 

Aber niemand kann die alten Rezepte so gut erklären und zum Nachkochen anregen wie die Köchinnen selber, die in einigen Gasthäusern in der nordöstlichen Oberpfalz die "alten" Gerichte nach wie vor ihren Gästen anbieten.

 

 

Traditionelle Rezepte

 

Die folgenden erprobten Gerichte sind "Renner" - sowohl für Einheimische als auch für die Feriengäste im Gasthaus Bodensteiner in Tröbes, einem kleinen Dorf im Tröbesbachtal bei Moosbach im Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald.

 

 

 

 

Schopperla und a Werch

 

(Schopperla vo´ kochte Erdäpfl und Sauerkraut)

 

etwa ein Kilogramm Erdäpfl am Tag davor kochen, im Kühlschrank über Nacht lagern;

dann reiben oder durchdrücken;

salzen, einen Eidotter (kein ganzes Ei) dazugeben;

dazu eine Handvoll Stärkemehl und eine Handvoll normales Mehl;

zu Teig kneten;

den Teig zu Würstchen drehen und in die Pfanne legen;

in Butterschmalz braten, dabei die Schopperla umdrehen und von beiden Seiten braten.

 

Dazu gibt´s "a Werch":

Sauerkraut, mit etwas Zucker abgeschmeckt und mit etwas Fett zubereitet.

Statt des bekannteren Sauerkrauts kann man auch gedünstetes Weißkraut servieren:

in einem Topf mit Fett werden Zwiebelscheiben angeröstet;

das Weißkraut und Gelberüben in Scheiben werden dazugegeben;

abgeschmeckt wird das Ganze mit Zucker, einem "bißerl" Salz und einem Lorbeerblatt (anstelle des Salzes kann man auch etwas klare Fleischsuppe verwenden);

kurz bevor das Kraut fertig ist (nicht vorher), zum Verfeinern ein wenig Essig zugeben.

 

 

Erdäpflbräi und Dalkerla

 

(Dickere Erdäpflsuppe mit Rohrnudeln)

 

"Vül Erdäpfl" kochen, kleinschneiden;

"ozwirln" (mit Zauberstab pürieren) bis alles sämig ist;

"brouner Zwiefel" (gebratene Zwiebeln) dazugeben;

mit einem Schuß Essig, Pfeffer und Salz (stattdessen eventuell Fleischsuppe oder Brühwürfel) abschmecken.

Weil "d´Manner sogn, ohne A´brenn is ka Erdäpflsuppm", gibt man häufig eine "Einbrenn" (Butter mit Mehl) dazu, damit der "Erdäpflbräi" (nicht Erdäpflbröi = Brühe, sondern eher wie Brei) dicker wird.

 

Dazu gibt es "Dalkala" - Rohrnudeln aus Hefeteig.

dazu bereitet man einen "bessern" Hefeteig mit 50 g Butter;

diesen Teig muß man gehenlassen;

nach dem Gehenlassen werden die Dalkala ausgedreht;

wieder gehenlassen;

danach nebeneinander in die gut gebutterte Pfanne setzen;

in der Röhre backen, bis sie schön braun sind;

stürzen, mit Butter bestreichen und mit Zucker bestreuen.

 

(Nr. 4 in Kirwagäns und Köichla)

 

 

Schwammabröi und an Dotsch

 

(Mischpilz-Ragout mit Dotsch)

 

Am besten schmeckt natürlich eine Schwammabröi aus Steinpilzen, aber auch Rotkappen, Maronen, Birkenpilze und andere eignen sich hervorragend für das köstliche Gericht:

Für die Schwammabröi wird eine Einbrenn vorbereitet;

Schwamma kochen und abseihen;

die Einbrenn wird mit dem Schwammawasser angegossen, danach die Schwamma dazugegeben;

salzen, Rahm dazugießen, fein gehackte Petersilie unterrühren, mit einem Schuß Essig abschmecken.

Dazu werden Dotscherla (aus "Greibera") serviert.

 

 

A kochts Rindfleisch mit Erdäpflgmöis

 

(Gekochtes Rindfleisch mit Kartoffelgemüse)

 

Rindfleisch heiß zusetzen;

1 Stunde Kochzeit;

salzen, 1 ganze Zwiebel und Pfefferkörner zugeben;

2 bis 3 Stunden ziehen lassen.

 

Dazu gibt es ein Erdäpflgmöis:

Erdäpfl schnitzeln;

in Salzwasser mit einem Lorbeerblatt kochen;

dunkles Einbrenn und "broune" Zwiebel vorbereiten;

Einbrenn mit Fleischsuppe angießen, sämig werden lassen;

mit Zucker, Essig, Salz (oder Brühwürfel) abschmecken;

Sahne oder Creme Fraiche unterrühren;

in diese Soße kommen die gekochten Erdäpfl;

Muskatnuß darüberreiben.

 

 

Böimische Kne´la mit kochte Zwetschgen

 

(Böhmische Knödel mit gekochten Zwetschgen)

 

Für die "böimischen Knela" macht man den Hefeteig "niat ganz so guat, daß a niat su schwarch (schwer) wird".

30 g Fett (oder Rama) und 500 g Mehl, Zucker, Salz,

1 ganzes Ei und 2 Dotter, Milch nach Gefühl ("suvül wöi´s halt a´nimmt");

den Teig solange schlagen, bis er sich leicht vom Löffel löst;

gehenlassen bis zum doppelten Volumen;

dann "aßadran" (je ca. 100 g), zudecken und wieder gehenlassen;

nach dem Gehenlassen in kochendes Salzwasser einlegen und 8 Minuten leise kochen lassen.

Wenn man sie mit dem Finger eindrückt, muß eine delle bleiben, dann sind sie richtig.

Wichtig:

Die "Knela" nach dem Herausnehmen sofort mit zwei Gabeln aufreißen, damit der Dampf auskommt, Butter darübergießen, Zucker und Zimt aufstreuen.

 

Dazu gibt es aufgekochte Zwetschgen (eingefroren und entkernt) mit Zucker, einfach - aber köstlich.

 

Als Variation gibt es das Gericht auch als "Schwoarzba-Kne´la":

Die Köchin beginnt mit dem Teig etwa um 9.00 Uhr, schickt die Gäste "in d`Schwoarzba", um 12.00 Uhr kann gegessen werden.

 

(Nr. 70 in Kirwagäns und Köichla)

 

 
Ausprobieren kann man all diese Gerichte im Gasthaus "Zum Goldenen Hirsch" in Tröbes. Bedanken darf ich mich bei der Familie Bodensteiner, hier besonders bei der aus Burgtreswitz stammenden Frau Mathilde Bodensteiner und ihrer Tochter, die trotz vieler Arbeit mitten in der Urlaubssaison viel Geduld mit mir hatten und mir am späten Abend nach der Küchenarbeit die obigen Rezepte erklärt haben. Sie wurden bisher nicht niedergeschrieben, sondern von Generation zu Generation mündlich weitergegeben.

Übrigens: Auf eine "Kirwagans und Köichla zu da Mussbecka (Moosbacher) Kirwa" wandern wir jedes Jahr zu Fuß mit Freunden von Vohenstrauß über Burgtreswitz und das landschaftlich herrliche Tröbesbachtal zum "Bodensteiner in Tröbes" - ein doppelter Genuss!

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